© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/20 / 20. März 2020

Konzepte des Heroischen in Friedrich Hölderlins Gedichten
Opferhelden und Zeitveränderer
(wm)

Friedrich Hölderlins Werk, so der Tübinger Literaturhistoriker Moritz Strohschneider, ist durch ein „emphatisches Verhältnis zum Heldentum geprägt“. Das ist keine besonders neue Einsicht, da in seinen Gedichten, dem „Hyperion“-Roman und in vielen der zumeist an die Mutter und wenige Freunde gerichteten Briefe oft von „heroischen Gestalten“ und Aktionen die Rede ist. Diese Passagen beziehen sich durchgehend auf historische „Täter“-Figuren in unterschiedlichen Epochen. Sie klassifiziert Strohschneider in seiner Studie über Hölderlins „Konzepte des Heroischen“ (Zeitschrift für Deutsche Philologie, 4/2019) als „Opferhelden“, wie Hölderlin sie hymnisch etwa in der Ode „Der Tod fürs Vaterland“ feiert. Dieser Heldentyp stürzt sich todesmutig in den Kampf und gibt sein Leben bereitwillig für ein übergeordnetes Ziel hin. Die Gedichte seiner letzten Schaffensphase würden hingegen einen ganz anderen, unsoldatischen Heldentyp präsentieren, den „Zeitveränderer“ oder „Reformator“. Die darin traktierten Persönlichkeiten wie der Religionsstifter Mohammed oder der „Seeheld“ Christoph Kolumbus  verweisen auf die geschichtsphilosophische und theologische Bedeutung des Helden. Neben Bibel und Natur versteht der Dichter sie als dritte Offenbarungsform göttlicher Mächte und bindet sie in eine unorthodoxe Heilsgeschichte ein. Im Falle Mohammeds, den der Aufklärer Voltaire noch als religiösen Fanatiker verachtete, folge Hölderlin nicht nur Goethes positiver Neubewertung des Islam, sondern betrachte dessen Religionsstiftung als Muster, das sich in der modernen „Götterferne“ für sein „Projekt einer Neuen Religion als anschlußfähig“ empfehle. 


 www.zfdphdigital.de