© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/20 / 20. März 2020

Dorn im Auge
Christian Dorn

Alles muß raus – das gilt in diesen Tagen besonders für das Grundgesetz, das schräg gegenüber dem alternativen Hausprojekt „ausland“ vor die Tür gesetzt wurde. „Draußen vor der Tür“ findet sich auch „Das Gesamtwerk“ von Wolfgang Borchert. Drinnen, im Café der Sowjetzone, beginnt das „Verhör“-Experiment: So verstehe ich am Nachbartisch, wo Stefan Zweigs Erzählband zitiert wird, „Sperrstunden der Menschheit“. Darauf der scherzhafte Vorschlag des Künstlers, der gern im blauen Mao-Anzug aufkreuzt und demnächst eine Ausstellung in Taipeh hat: „Hand in Hand – Menschenkette gegen Corona.“ Selbst bin ich auch schon durcheinander und verspreche mich immer wieder, indem ich automatisch vom „Coran-Virus“ spreche, um eine Silbe einzusparen. Damit lebe ich gefährlich, würde eine solche Äußerung doch neuerdings als „Hate Speech“ verfolgt, seit Bundesinnenminister Seehofer in Absprache mit den islamischen Lobby-Verbänden eine „Expertenkommission gegen Islamfeindlichkeit“ angekündigt hat, die durch ein „Hilfetelefon Rassismus“ unterstützt werden soll. Das schafft nun wirklich eine neue AfD: eine Alternative für Denunzianten. Als wäre es ein Film, registriere ich auf dem Oberlicht des U-Bahn-Fensters die Werbung vom Bundesamt für Verfassungsschutz mit der Schlagzeile: „Im Verborgenen Gutes tun!“ Die Anzeige wirbt für „Ausbildung und duales Studium beim Inlandsnachrichtendienst“ und fordert mit Nachdruck: „Jetzt bewerben und Verfassungsschützer/in werden!“ Besonders irritierend: Niemand in der U-Bahn scheint diese Anzeige zu irritieren.


Zum Glück wird zu Hause noch nicht abgehört: Als ich in der Nacht unter starken Bauchschmerzen den Deutschlandfunk anschalte, höre ich, wie der Barde Stoppok sein neues Album „Jubel“ vorstellt, wobei besonders der darauf befindliche „Refugees welcome“-Song gepriesen wird mit dem Titel (und Refrain) „Laß(t) sie rein, laß(t) sie alle rein!“ – unter schrecklichem Stechen werfe ich mich hin und her und deliriere endlos repetierend in verschiedensten Tonlagen: „Stoppt Stoppok / Nascht Naschids“!


Gott sei Dank sieht die Welt am nächsten Morgen schon wieder anders aus. Im Zuge der aufziehenden Panik wegen der Corona-Pandemie fällt mir – als ich die prominent plazierte Empfehlung Greta Thunbergs lese, die dazu aufruft, Menschenansammlungen zu vermeiden – ein, daß auch ich eine Idee für die Rettung der westlichen Gesellschaft beizusteuern hätte: „Ich hab’ die besten Pläne / Greta unter Quarantäne!“