© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/20 / 20. März 2020

Den Tod an den Händen
Gedenkblatt für Ignaz Philipp Semmelweis, den Vater der Hygiene
Martina Meckelein

In diesen Zeiten der Corona-Angst klauen Asoziale aus Kliniken Desinfektionsmittel in Mengen, die Kanister füllen könnten. Dabei wissen sie sicher nichts von dem Mann, der als erster den Zusammenhang zwischen gefährlichen Keimen und daraus resultierenden tödlichen Infektionen erkannte und Konsequenzen zog: dem 1818 geborenen Arzt Ignaz Philipp Semmelweis.

Semmelweis ist einer der Väter der modernen Hygiene. Der Ungar arbeitete 1846 als Assistent an der I. Geburtshilflichen Uniklinik im Allgemeinen Krankenhaus in Wien. Selbst schreibt er später, daß das Totenglöckchen der Priester, wenn sie über die Krankenhausflure gingen, ihm immer wieder Angst machte. Es wurde zu dieser Zeit häufig geläutet. Bis zu 13 Prozent der entbundenen Frauen starben nach der Geburt. Kindbettfieber. Die Ärzte nahmen es hin, entwickelten krude Theorien. Zum Beispiel die vom „Genius epidemicus“. So bezeichneten sie den vorherrschenden Charakter einer Epidemie, bei der erkrankte Menschen nun mal die gleichen Symptome zeigten.

Semmelweis hingegen war aufgefallen, daß die Mortalitätsrate der Wöchnerinnen in den zwei Klinik-Abteilungen, die seit 1833 getrennt voneinander arbeiteten, unterschiedlich war. In der einen, hier wurden die Schwangeren seit 1840 durch Medizinstudenten entbunden, betrug sie 18 Prozent, in der anderen, in der nur Hebammen arbeiteten, zwei bis drei Prozent.

Er ordnete Standards an

1847 stirbt sein Kollege Jakob Kolletschka an einer Blutvergiftung. Ein Medizinstudent hatte ihn bei einer Sektion leicht mit einem Skalpell am Finger verletzt. Semmelweis erkennt Übereinstimmungen zwischen der tödlichen Blutvergiftung seines Freundes und dem Kindbettfieber. Da Hebammen keine Leichenöffnungen durchführen, könnten Ärzte und Studenten die Wöchnerinnen während einer Untersuchung oder der Geburt selbst infiziert haben. Denn die Hände wuschen sie sich nach Sektionen nicht.

Semmelweis ordnete außerordentliche Sauberkeitsstandards an: Hände mit Seife waschen, bürsten und anschließend mit Chlorkalklösung desinfizieren. Die Sterblichkeitsrate sank auf zwei Prozent. Aber Semmelweis hatte mächtige Gegner, nicht zuletzt Rudolf Virchow, den Direktor der Berliner Charité, der seinerzeit andere medizinische Theorien vertrat. 

Semmelweis starb, verbittert ob der Grabenkämpfe, 1865 in Wien in einer Nervenheilanstalt.