© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/20 / 20. März 2020

Vielschichtige Abgrenzungsprozesse im Großraum Paris
Urbanes Aushandeln
(dg)

Die Grenzraumforschung, vor einiger Zeit umgetauft zu „Borderstudies“, ist eine Teildisziplin der Geographie. Sie hat sich seit den 1920er Jahren als Wissenschaftszweig etabliert, der sich den politischen, sozialen und ökonomischen Auswirkungen von Grenzziehungen widmet. Wobei ihr Schwerpunkt lange auf zwischenstaatlichen Grenzräumen und Nationalitätskonflikten lag. Seit den 2010er Jahren findet ein Blickwechsel auf Grenzziehungen in multikulturell geprägten städtischen Gesellschaften statt, wo „Identitäten in Grenzlagen“ zunehmend „ausgehandelt“ würden. Das sind neue urbane Wirklichkeiten, wie sie die Geographen Florian Weber (Saarbrücken) und Olaf Kühne (Tübingen) in ihrer Studie über den Großraum Paris beschreiben (Geographische Rundschau,1–2/2020). In der Seine-Metropole habe sich nach 1945 die scharfe Trennung zwischen der Kernstadt und jenen ins Umland wuchernden Industrie- und Großwohnsiedlungen der Banlieues herausgebildet, die erstmals in den 1980ern durch „Ausschreitungen von Jugendlichen“ auffielen. Ohne mit einer Silbe auf die durch Massenmigration entstandenen Probleme dieses „Grenzraums“ einzugehen, prognostizieren Weber und Kühne weitere soziale Spannungen und „vielschichtige Abgrenzungsprozesse“ entlang von „Mikro-Grenzen“, da an der östlichen Pariser Peripherie eine „Stadt der Reichen“ geplant sei. 


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