© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/20 / 20. März 2020

Schwarzmalerei statt Pragmatismus
Panikberichte und Antworten auf die „Zweijahrestrockenheit“ 2018/19 / Mehr naturnahe Bewirtschaftung?
Christoph Keller

Im Februar gab es in Deutschland einen durchschnittlichen Niederschlag von 125 Liter pro Quadratmetern – das war mehr als viermal so viel Regen und Schnee wie im Februar 2019 und zweieinhalbmal so viel wie im langjährigen Mittel. Ein klares Anzeichen für klimawandelbedingte Flutgefahren? Im April 2019 schüttete Petrus hingegen nur 30 Liter aus, die Hälfte des langjährigen Mittels – droht im Frühjahr nun erneut eine Dürre? Oder nehmen einfach die „Wetterextreme“ zu, denn so läßt sich beides immer prima erklären?

Nicht nur Joachim Müller-Jung, der die naturwissenschaftlichen FAZ-Seiten in ein Mitteilungsblatt des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) verwandelt hat, schwelgt gern in Katastrophenszenarien. Vielmehr scheint dieser reißerische „Fünf vor zwölf“-Sound im deutschen Wissenschaftsjournalismus insgesamt in Mode zu kommen.

So bringt auch das Bild der Wissenschaft (2/20) seine Leser in Alarmstimmung: „Ausgetrocknete Flußbetten, verdorrte Felder und Wälder, die wie Zunder brennen, Einbußen in der Landwirtschaft“ – so beginnt Eva Tenzers Artikel über „Die Deutschland-Dürre“. Dieser Winter ist aber nicht die regenärmste Zeit seit dem Beginn der regelmäßiger Messungen im Jahr 1881 – die Februar-Niederschläge gleichen die Januar-Trockenheit mehr als aus. Aufgrund fehlender Niederschläge im Sommer und Herbst 2018 waren die Böden vor allem in Norddeutschland aber trockener als jemals seit 1951. Und zur Sommerhitze 2019 gesellte sich erneut unterdurchschnittlicher Niederschlag: Damit sei die „erste Zweijahrestrockenheit“ in 140 Jahren Wetteraufzeichnung zu registrieren. Doch die Februarfluten glichen die „Deutschland-Dürre“ aus. Der Winter 2019/20 hat gute Chancen, zumindest in Teilen Nord- und Mitteldeutschlands als einer der regenreichsten in die Wetterannalen einzugehen.

Es dauert lange, bis Regen ins Grundwasser einsickert

Es ist also kurz vor Frühlingsanfang eingetroffen, was Andreas Marx vom Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, das den „Deutschen Dürremonitor“ veröffentlicht, Tenzer zu bedenken gegeben hatte: Wenn dieser Winter mit mindestens durchschnittlichen Niederschlägen aufwarte, könne sich die Bodenfeuchte bis in größere Tiefe normalisieren, so daß sich die Ökosysteme nach zwei wassergestreßten Jahren wieder erholen würden.

Aber was ist, wenn die Dürre im Juni und Juli zurückkehrt? Bestünde dann ein Risiko für die deutsche Trinkwasserversorgung? Dies ist eine rein rhetorische Frage, wie Jörg Rechenberg, der Wasserexperte vom Umweltbundesamt (UBA), aufklärt: Zwei außergewöhnlich trockene Sommer können die Wasserversorgung kaum beeinträchtigen oder gar einen flächendeckenden Mangel auslösen. Es dauere Jahrzehnte, bis Regen ins Grundwasser einsickert, so daß sich zwei Trockenjahre „nicht sofort bemerkbar machen“. Was Tenzer so auslegt, daß das Trinkwasser lediglich „vorerst nicht gefährdet ist“. Der „Extremfall“ sei nicht unwahrscheinlich, wenn Notpläne mit Tankwagen und Fernwasserleitungen in Kraft träten und in Deutschland „nach mehreren trockenen Wintern ein Streit ums Wasser“ entbrenne.

Im wohltuenden Kontrast zu solcher Schwarzmalerei steht das jüngste Positionspapier des Bundesamts für Naturschutz (BfN), das sich sachgemäßer mit dem Problem befaßt und sich den Auswirkungen von Trockenheit und Hitze auf Deutschlands Wälder widmet (Natur und Landschaft, 11/19). Die aktuelle Schadsituation, mit abgestorbenen Fichten- und Kiefernbeständen auf 110.000 Hektar, gestatte keine Krisenprognosen, da gerade die heutige Lage Fragen zur Vorhersagbarkeit waldbaulicher Entwicklungsprozesse aufwerfe.

Wandel vom Wirtschafts- zum Ökosystemwald?

Ahorn, Birken, Buchen, Eichen, Lärchen, Kiefern und Tannen galten aber in älteren Waldbaukonzepten stets als geeignet, dem Klimawandel zu trotzen. Nun müsse man nicht erst seit 2018/19 beobachten, daß die Trockenheit neben den schwer geschädigten Fichtenbeständen, wenngleich in regional unterschiedlicher Intensität, auch diesen Baumarten zusetze.

Die gegenwärtigen Kalamitäten würden, so ist das von Anke Höltermann und Beate Jessel (beide BfN) verfaßte Positionspapier zu deuten, durch den Klimawandel zwar verschärft, hätten ihre Ursachen aber im falschen, noch aus dem späten 17. Jahrhundert stammenden Nachhaltigkeitsverständnis, dem es damals um die Sicherstellung der Holzproduktion für die sächsischen Kohlebergwerke gegangen sei. Stattdessen müsse der Wald heute weniger als holzerzeugende „Bewirtschaftungseinheit“ denn als ein in seiner Anpassungs- und Widerstandsfähigkeit zu stärkendes Ökosystem behandelt werden.

Für diese „grundsätzliche Neuorientierung“ seien vier wesentliche Forderungen zu erfüllen.

1. Viel energischer als bisher sei generell die Wiederbewaldung in Angriff zu nehmen.

2. Anstrengungen zum ökologischen Waldbau sollten „erheblich intensiviert werden“. Vorrangig sei dabei der Aufbau naturnaher Laubmischwälder, die sich in der Baumartenzusammensetzung an der Struktur natürlicher Waldgebiete zu orientieren hätten. Gebietsfremde Baum­arten dürften nur im Ausnahmefall und sehr restriktiv nach vorab durchgeführten ökologischen Risikobewertungen eingesetzt werden. In Naturschutzgebieten sei auf deren Einbringung sogar ganz zu verzichten.

3. Die Waldbewirtschaftung sei strikt ökologisch auszurichten. Erhaltung und Förderung der Biodiversität sollten einen hohen Stellenwert genießen. Insbesondere sei auf die Verbesserung des Wasserhaushalts und den Schutz der Waldböden zu achten.

4. Der Anteil nicht bewirtschafteter Wälder müsse dringend erhöht werden. Derzeit liege er bei 2,8 Prozent der deutschen Waldfläche, obwohl die nationale Strategie der Bundesregierung zur biologischen Vielfalt für 2020 einen Zielwert von fünf Prozent erreichen wollte.

Realisieren ließen sich diese Forderungen nur bei einem fundamentalen „Wandel der Mentalitäten und Denkweisen“ in der forstlichen Praxis. Weg von der alten, primär nutzungsorientierten Perspektive, hin zu einer neuen Vision ökologischer Nachhaltigkeit. Dazu seien im Bundeswaldgesetz Umwelt- und Naturschutzziele schärfer zu akzentuieren. Und der Staat habe bei der Bewirtschaftung seiner Wälder eine ökologische Vorbildfunktion zu übernehmen. Billig käme der Steuerzahler bei dieser Variante der großen Transformation nicht weg. Denn naturnahe Waldbewirtschaftung sei angemessen zu honorieren. Wobei der Schwerpunkt der Förderung auf der Unterstützung von Kleinwaldbesitzern liegen sollte.

Dürremonitor Deutschland:

 www.ufz.de

 www.bfn.de/