© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/20 / 27. März 2020

Das könnten sie sich auch Schengen
Kontrollen wegen Corona: Während derzeit Franzosen an der deutschen Grenze abgewiesen werden können, dürfen Asylbewerber in der Regel passieren
Peter Möller

Die Corona-Krise hat auch das deutsche Asylsystem in einen Ausnahmezustand versetzt. Das haben nicht zuletzt die Unruhen in einem Asylbewerberheim im thüringischen Suhl in der vergangenen Woche gezeigt. Nachdem die Einrichtung nach einem Coronafall unter Quarantäne gestellt worden war, versuchten Bewohner trotzdem, das Gelände zu verlassen. Als die Polizei sie daran hindern wollte, griffen Asylbewerber die Beamten an und bewarfen sie mit Gegenständen. 

Die Bilder von Polizisten, die über ihrer Einsatzkleidung noch Schutzanzüge und Atemmasken zum Schutz gegen eine Ansteckung durch das Coronavirus trugen, gingen durch die Medien und sorgten für Schlagzeilen. Am Ende mußte die Polizei 22 randalierende Asylbewerber in eine leerstehende Jugendarrestanstalt verlegen, um wieder für Ruhe und Ordnung in der Einrichtung zu sorgen. Mittlerweile wurden auch aus anderen Asylunterkünften erste Coronaerkrankungen gemeldet.

Für Irritationen sorgte vor diesem Hintergrund Ende vergangener Woche die Meldung, daß trotz der faktischen Einreisesperre für Ausländer nach Deutschland wegen der Corona-Krise weiterhin Asylbewerber ins Land gelassen werden. „An den deutschen EU-Außengrenzen (Flug- und Seehäfen) hat sich am bisherigen Verfahren keine Änderung ergeben. Dies gilt auch für die Schengen-Binnengrenzen“, teilte das Bundesinnenministerium der JUNGEN FREIHEIT auf die Frage mit, ob Asylbewerber nach wie vor in die Bundesrepublik gelassen werden. Betroffen davon ist vor allem die Grenze zu Frankreich, während beispielsweise Österreich seine Grenzen komplett geschlossen hat und so keine Asylbewerber aus Italien über Österreich nach Deutschland weiterreisen können.

Das Bundesinnenministerium verwies indes zur Beruhigung mit Blick auf die Einreise von Asylbewerbern auf die getroffenen Vorsichtsmaßnahmen hin. Die Länder seien in Abstimmung mit dem Bundesgesundheitsministerium und dem Robert-Koch-Institut gebeten worden, sicherzustellen, daß alle Asylbewerber „im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten“ auch daraufhin in Augenschein genommen werden, „ob Anhaltspunkte für eine Infektion mit dem Coronavirus erkennbar sind.“ 

So werden sie laut Innenministerium beispielsweise in Baden-Württemberg  flächendeckend getestet und für 14 Tage unter Quarantäne gestellt. „Eine Weiterleitung von Asylsuchenden erfolgt nur bei Vorliegen eines negativen Covid-19-Tests“, teilte ein Sprecher des Ministeriums mit.

Zweck dieser Maßnahme sei es zu verhindern, daß infizierte Personen in die Erstaufnahmeeinrichtungen aufgenommen werden und dadurch eine Gefahr für die Gesundheit der Bewohner dieser Einrichtungen und der Mitarbeiter entstehe. Zudem soll im Falle einer Infektion sichergestellt werden, daß zeitnah über die erforderlichen Behandlungs- und Quarantänemaßnahmen entschieden werden kann.

Mitarbeiter warnten         vor Ansteckungsgefahr

Unterdessen hat Innenminister Horst Seehofer (CSU) die Abschiebung von Asylbewerbern nach dem sogenannten Dublin-Verfahren in andere EU-Länder ausgesetzt. Zugleich sollen nach Angaben des Innenministeriums auf diesem Weg auch keine Flüchtlinge mehr aufgenommen werden, die aus anderen EU-Staaten nach Deutschland überstellt werden sollen.

Das Dublin-Verfahren legt fest, daß die Asylanträge von Ausländern in dem EU-Land bearbeitet werden müssen, in das der Flüchtling erstmals in die EU eingereist sind und Asyl beantragt hat. Wenn Asylbewerber dennoch in ein anderes Mitgliedsland weitergereist sind, werden sie in der Regel abgeschoben. Im vergangenen Jahr hat Deutschland in 8.423 Fällen von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.

Ebenfalls „bis auf weiteres ausgesetzt“ hat die Bundesregierung die seit 2012 bestehenden sogenannten Resettlement-Verfahren zur Aufnahme von Menschen aus Krisenregionen in humanitären Notlagen. Deutschland nimmt auf diesem Wege jährlich bis zu 5.000 Menschen zusätzlich auf, beispielsweise Syrer aus der Türkei und dem Libanon.

Die Corona-Krise hat aber auch Auswirkungen auf das Asylverfahren. So nimmt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) Asylanträge nur noch schriftlich entgegen. Anhörungen sollen nur noch dann stattfinden, wenn die Asylbewerber ein negatives Corona-Testergebnis vorweisen können oder 14 Tage in Quarantäne waren. Zuvor hatten Bamf-Mittarbeiter vor einer Ansteckungsgefahr gewarnt und gegen weitere Anhörungen protestiert.