© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/20 / 27. März 2020

Ex und Flop
„Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen“: Die Bundesregierung will Einwanderer per Minijobs eingliedern / Programm wird kaum genutzt
Ronald Berthold

Offenbar hat die Bundesregierung die Arbeitswilligkeit der seit 2015 einwandernden Migranten massiv überschätzt. Vor vier Jahren, als Millionen Menschen unkontrolliert ins Land strömten, hat sie vollmundig ein Arbeitsmarktprogramm für die Neuankömmlinge angekündigt. Unter dem Namen „Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen“ (FIM) wollte die damalige Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ursprünglich jährlich 100.000 einfache Jobs für Asylbewerber schaffen, um sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren und Kontakt mit der berufstätigen Bevölkerung herzustellen. Sie sollten sich als Gebäudereiniger, Gartenhilfen oder in Hausmeistereien nützlich machen. Doch das Projekt, das Ende dieses Jahres ausläuft, ist grandios gefloppt.

Keine Kenntnis über         die Anzahl der Abbrüche

Mit den Tätigkeiten sollten die Migranten den Zeitraum von ihrer Einreise bis zur Entscheidung über ihr Asylgesuch sinnvoll überbrücken und gleichzeitig an sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen herangeführt werden. Bei maximal 30 Wochenstunden sollte eine Stelle jeweils auf sechs Monate begrenzt sein. In der Richtlinie hieß es damals: „Die Agentur für Arbeit zahlt dem Maßnahmenträger für die Durchführung einer Flüchtlingsintegrationsmaßnahme für jeden besetzten Platz eine monatliche Pauschale in Höhe von 85 Euro für eine ‘interne’ und 250 Euro für eine ‘externe’ FIM sowie die für die Mehraufwandsentschädigung der Teilnehmenden tatsächlich verauslagten Kosten.“

Doch dafür wollten offenbar nur sehr wenige gemeinwohlorientiert arbeiten. Das geht aus der Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine parlamentarische Anfrage des Bundestagsabgeordneten René Springer (AfD) hervor. Über den gesamten bisherigen Zeitraum seit August 2016 haben nur 36.561 Asylbewerber an den Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen teilgenommen. Das macht bis Januar 2020, dem Monat der jüngsten Erfassung, einen jährlichen Durchschnitt von 10.500. Nur etwas mehr als zehn Prozent der ursprünglich geplanten 100.000 Asylbewerber haben also die Integrationsmaßnahme tatsächlich genutzt. Diese Zahl, die von Anfang an ohnehin nur einen Bruchteil der eingereisten Migranten ausmachte, hat das Arbeitsministerium – offenbar angesichts des sich abzeichnenden Mißerfolgs – bereits 2017 ersatzlos gestrichen.

Bereits als „Vorbemerkung“ teilt die Bundesregierung der AfD-Fraktion mit, sie stelle nur „den finanziellen Rahmen für die FIM zur Verfügung“. Auswahl und Zuweisung der Teilnehmer obliegen den nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zuständigen Behörden. Der Bund habe „keinen Einfluß hierauf“. Den Schwarzen Peter schiebt sie damit an die Länder. Auffällig: Das SPD-regierte Hamburg, immerhin die Heimat des Vizekanzlers Olaf Scholz, hat überhaupt keinen „Flüchtling“ in der Maßnahme des SPD-Bundesministeriums gemeldet. Auch das Saarland verzeichnete über den gesamten Zeitraum nichts. Hotspot der „Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen“ ist Baden-Württemberg. Das „Ländle“ kommt auf insgesamt 7.231 Migranten.

Interessant ist auch, wie ernst das heute von Hubertus Heil (SPD) geführte Ministerium die eigene Arbeitsmarktmaßnahme nimmt. Auf die Frage der Oppositionspolitiker, wie viele Personen aus den FIM „ausgetreten“ sind, antwortet es: „Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor, da Abgänge von Teilnehmenden und deren Verbleib von der Bundesagentur für Arbeit nicht erfaßt werden.“ Heißt: Ein Migrant, der nach einem Tag keine Lust mehr auf die Beschäftigung gehabt haben könnte, gilt für die Statistik trotzdem als Teilnehmer.

Den Höhepunkt erreichten die FIM im ersten vollen Kalenderjahr 2017 mit 20.435 Asylbewerbern. Im Jahr darauf ging die Zahl auf 8.231 herunter. 2019 waren es dann nur noch 5.130. Im Januar 2020 befanden sich ganze 47 Personen in der Maßnahme, gut die Hälfte davon in Baden-Württemberg. 13 von 16 Bundesländern melden derzeit keinen einzigen Teilnehmer. Der Rückgang hat laut Bundesregierung einen praktischen Grund. Die Bearbeitungszeit der Asylanträge habe sich verkürzt, weil seit 2017 weniger „Flüchtlinge“ ins Land kommen und die Behörden schneller entscheiden.

Durch den Flop des Programms kann immerhin der Steuerzahler aufatmen. Von den 409 Millionen Euro, die der Bund bisher dafür bereitstellte, riefen die Länder-Behörden lediglich knapp 32 Millionen ab. Das sind 7,8 Prozent. Anders ausgedrückt: 92,2 Prozent der jeweiligen Haushaltsansätze konnte der Bund sparen.

Maßnahmen werden     überhaupt nicht evaluiert

Das gescheiterte Programm wirft zahlreiche Fragen auf, zum Beispiel wie es ausgewertet wird. Antwort: Die FIM werden überhaupt nicht evaluiert. Nicht einmal über die von der AfD-Fraktion angefragten „Top-3-Maßnahmenträger je Bundesland“ kann das Ministerium eine Antwort geben. Dasselbe betrifft die durchschnittliche Maßnahmedauer und die durchschnittliche Wochenarbeitszeit. Sie weiß auch nicht darüber Bescheid, wie viele Teilnehmer trotz positiven Asylbescheids in der Maßnahme geblieben sind und wie viele sie deswegen vorzeitig beendet haben. Sieben von 19 Fragen konnte die Bundesregierung nicht beantworten.

Für den Sozialpolitiker Springer beweisen die Anworten, daß das Arbeitsmarktprogramm FIM „der nächste integrationspolitische Rohrkrepierer der Bundesregierung“ ist. „Ganz offensichtlich sind die Ein-Euro-Jobs für Asylbewerber nie auf größeres Interesse bei der Zielgruppe gestoßen“, stellte der Bundestagsabgeordnete gegenüber der JUNGEN FREIHEIT fest. Als Konsequenz rät Springer: „Anstatt verzweifelt zu versuchen, Flüchtlinge in Arbeit zu bringen, sollte die Bundesregierung endlich ihre gesinnungsethische Blase verlassen und die Zuwanderung begrenzen und steuern.“