© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/20 / 27. März 2020

Grüße aus Wien
Goldrichtig gestöbert
Michael Link

Im Prater blüh’n wieder die Bäume. Weitaus weniger Menschen als sonst genießen die einst auch von Peter Alexander besungenen prächtigen Bäume der Alleen rund um den Wiener Vergnügungspark, welcher aufgrund der Corona-Krise gesperrt wurde. Die seit Mitte März geltenden Ausgangsbeschränkungen in Österreich lassen mich mehr Zeit im trauten Heim verbringen. 

Diese nutze ich wie wohl viele andere Landsleute zum Lesen. Und dieser eine Griff ins Bücherregal erwies sich vor kurzem als goldrichtig: „Der dritte Mann“ von Graham Greene, dessen Filmpremiere sich dieser Tage zum 70. Mal jährt. Es ist ein Buch, das – ebenso wie seine berühmte Verfilmung mit Orson Welles – fesselnde Einblicke in das Wien der Nachkriegszeit bietet. Auch für den physischen wie auch dra-matischen Höhepunkt auf dem Riesenrad, sozusagen dem Tor zum Wiener Prater, wurde „Der dritte Mann“ berühmt. Das im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigte Riesenrad war nach Restaurierungsarbeiten 1947 wiedereröffnet worden.

Bis heute gilt der Streifen, nicht nur wegen der Filmmusik, in Österreich als Kultfilm.

Zudem hat die wilde Verfolgungsjagd durch das unterirdische Kanalsystem, das die vier Besatzungssektoren der vier Siegermächte wie auch den fünften, internationalen Sektor „Innere Stadt“ verband, zum Erfolg des Kriminalfilms beigetragen. Interessant dabei: Produzent Alexander Korda hatte die Absicht, einen Film über eine physisch und moralisch zerstörte Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg zu drehen. Es gelang ihm perfekt. 

Bis heute gilt der Streifen, wohl auch wegen der berühmten Filmmusik von Anton Karas, in Österreich als Kultfilm. Vor allem die Melodie des weltberühmte Liedes „Harry-Lime-Theme“, wurde zum Erfolg, und der bis dahin außerhalb von Wien völlig unbekannte Gastwirt, Zitherspieler und Komponist zum umjubelten Musiker.

Sogar ein eigenes Museum im 4. Wiener Gemeindebezirk wurde dem „Dritten Mann“ gewidmet. Zu sehen: Originaldokumente illustrieren das tägliche Leben zwischen Hunger, Schwarzmarkt und Demarkationslinien im zerstörten und besetzten Wien. In 13 Räumen sind 2.300 Originalexponate: 420 Coverversionen des „Harry-Lime-Themas“, die Filmzither von Karas, originale Drehbücher, eine kurze Filmvorführung über einen historischen Kinoprojektor, die Kappe des kleinen Hansl. Zu schade. Denn aus den bekannten Gründen ist das Museum bis auf weiteres geschlossen.