© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/20 / 27. März 2020

Die Energiewende macht Grünstromanbieter reicher
Strommarkt: Trotz des coronabedingten geringeren Stromverbrauchs werden die Kundenendpreise nicht sinken, sondern mittelfristig steigen
Marc März

Die coronabedingten Einschränkungen des öffentlichen und des Wirtschaftslebens haben auch Auswirkungen auf den Energiemarkt: Produktionen außerhalb der lebensnotwendigen oder medizinischen Versorgung werden geschlossen, die Bahn streicht Verbindungen. Internetanbieter oder Versender wie Amazon, Otto, Rewe & Co. arbeiten hingegen am Limit – und die Stromnetzbetreiber müssen umdenken.

Insgesamt sinkt der Stromverbrauch in Deutschland durch die Werksschließungen in der Corona-Krise. Die länger werdenden Tage reduzieren den Stromverbrauch am Abend ebenso wie die Schließung der Gastronomie. Während Privathaushalte tagsüber durch Quarantäne deutlich mehr Strom verbrauchen, schlägt dieser Effekt vor allem in den Ballungszentren kaum durch, da der ÖPNV seinen Verbrauch reduziert.

Die erhöhten Anforderungen an die Rechenzentren betreffen die Datenmengen wesentlich stärker als den Stromverbrauch. Es ergibt sich also ein Szenario, in dem weniger Energie zu verschobenen Zeiten an andere Standorte verteilt werden muß. Diese Verteilung ist kein technisches Problem für die Netzsteuerung. Sollte die Situation länger andauern, werden die Lastprofile, nach denen die Stromversorger Strommengen kaufen und über den Tag verteilt einspeisen lassen müssen, geändert werden. Ohne Anpassung der Profile werden Mehr- und Minderverbräuche durch die Schwankungsreserven gedeckt.

Problematischer ist es für Stromproduktion. Durch die insgesamt gesunkene Verbrauchsmenge muß in den kommenden Monaten trotz kontinuierlich steigender Photovoltaikeinspeisung weniger Energie über das Netz bereitgestellt werden. An der Strombörse EEX fiel der Durchschnittspreis mit der Verschärfung der Krise und der wirtschaftlichen Folgen seit dem 11. März von über vier auf 3,4 Cent pro Kilowattstunde (kWh), wobei an der EEX in Extremsituationen sogar negative Strompreise möglich sind.

Die Verbraucher merken davon aber nichts. Die Privathaushalte haben sogar steigende Verbräuche bei einem konstanten Preis aufgrund ihrer Vertragsbindung. Da sich die Stromversorger schon auf krisenbedingte Zahlungsausfälle bei den Kunden einstellen, wird am Markt nicht mit einer Preisoffensive für Neukunden durch die großen Anbieter gerechnet. Im Kundenbestand sind die Strompreise im März sogar um durchschnittlich acht Prozent erhöht worden.

Vergütung von 95 Prozent auch bei Stromsperre

Bei dem bestehenden Überangebot an Stromeinspeisungen wirkt sich zudem der politisch gewollte und gesetzlich verankerte Einspeisevorrang für „Grünstrom“ negativ auf den Markt aus. Wind- oder Solaranlagen dürfen nur dann an der Einspeisung gehindert werden, wenn das Angebot die Nachfrage übersteigt oder die Netzstabilität gefährdet ist. Selbst wenn sie an der Einspeisung gehindert werden, erhalten die „Grünstrom“-Produzenten eine Vergütung in Höhe von 95 Prozent des Abnahmepreises für den Strom, der in der Anlage produziert worden ist, ohne ins Netz zu gelangen.

Besonders drastisch wirkt sich dies bei der Offshore-Windenergie in Nord- und Ostsee aus. Deren Abnahmepreis beträgt in den ersten zwölf Jahren 15,4 Cent pro kWh. Damit garantiert das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zwölf Cent pro kWh über den aktuellen EEX-Marktpreisen, was einem Aufschlag von 350 Prozent entspricht, der sich bei einer 95-Prozent-Zahlung bei Abriegelung noch rechnet. Die Differenz zwischen dem durch das Überangebot fallenden Marktpreis und der garantierten Einspeisevergütung zahlt der Verbraucher über das EEG. Diese Umlage wird also den Strompreis für die Verbraucher weiter erhöhen.

Die Betreiber von Kohle- und Atomkraftwerken werden von den sinkenden Abnahmemengen wirtschaftlich hart getroffen. Zwar sind sie, im Gegensatz zu den Ökostromanlagen, auch bei sinkenden Marktpreisen konkurrenzfähig durch geringere laufende Kosten, aber der Grünstrom-Vorrang am Markt erlaubt ihnen immer weniger Einspeisung. Da die konventionellen Kraftwerke als Reserve für die unvermeidlichen Schwankungen der Ökoenergieeinspeisungen zur Verfügung stehen müssen, dürfen die Betreiber sie nicht abschalten, mit der Folge, daß die Kraftwerke in einem unrentablen Bereich betrieben, in einen Stand-by-Modus versetzt oder in Produktion ohne Einspeisung und ohne Entschädigung betrieben werden.

2019 verbrauchten die Deutschen zwei Prozent weniger Strom als im Vorjahr, dieser Rückgang wird 2020 mit Sicherheit überboten werden. Die Folge sind zwar sinkende Strombörsenpreise, aber dank der „Energiewende“ steigende Verbraucherpreise. Denn in Deutschland profitieren von den Systemfehlern immer nur Ökostromproduzenten und Anlagenbesitzer.

 www.energy-charts.de

 www.eex.com/de