© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/20 / 27. März 2020

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Obwohl sich die Leistung von Mädchen in Mathematik und den Naturwissenschaften gegenüber derjenigen von Jungen in den vergangenen Jahren immer weiter angenähert hat, wählen Frauen nach wie vor kaum entsprechende Studiengänge oder Berufe. Die übliche Erklärung, daß das an der bleibenden Diskriminierung des weiblichen Geschlechts liegt, weist eine neue Studie zurück, die die Daten von 300.000 Schülerinnnen in 64 Ländern ausgewertet hat. Der zufolge sind Mädchen, die in Mathematik und Naturwissenschaften erfolgreich abschneiden, in der Regel auch gut in Sprachen und Geistes- beziehungsweise Sozialwissenschaften. Läßt man ihnen nach dem Ende der Schulzeit die freie Wahl, entscheiden sie sich für die Felder, die ihnen eher liegen.

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Sobald ich die Weltherrschaft an mich gerissen habe, wird das öffentliche Telefonieren über Lautsprecherfunktion mit der Bastonade bestraft.

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Angesichts der Pandemie horten die Deutschen Toilettenpapier, die Amerikaner Waffen und die Franzosen Rotwein und Kondome. Wie immer fehlt es uns an der notwendigen Härte und dem wünschenswerten Savoir-vivre.

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Die von Putin vorgesehenen Ergänzungen der neuen Verfassung sehen unter anderem vor: die ausschließliche Anerkennung der Ehe zwischen Mann und Frau, den Schutz des Glaubens und der russischen Tradition als maßgeblich für das Gemeinwesen.

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Am 21. März verstarb Herbert Kremp hochbetagt im Alter von 91 Jahren. Nach Günter Zehm geht damit einer der letzten aus der alten Generation konservativer Journalisten und Publizisten. Zwischen beiden gab es eine Reihe von Gemeinsamkeiten: die Prägung durch den Antitotalitarismus der frühen Bundesrepublik, die Mitarbeit an der Welt , deren Chefredakteur Kremp zeitweilig war, als „Kampfblatt“ der Springer-Presse, die Auseinandersetzung mit den Achtundsechzigern und dem Terror der RAF. Aber es gab auch Differenzen, die in mancher Hinsicht aufschlußreicher sind. Dazu gehört vor allem die Reaktion auf die linke Kulturrevolution. Kremp hat schon 1973 geschrieben, daß sich die Schwäche der Konservativen aus dem Fehlen eines organisierenden Zentrums erkläre: „Fasziniert und geängstigt von dem exorzistischen Gebrüll aus medial-pädagogischen Institutionen, überlassen sie der Linken ihre Begriffe. Diese verwandeln dann die Inhalte ins Gegenteil – unter Beibehaltung des phonetischen Klangs. Zentrale Vorstellungen wie Umweltschutz und Lebensqualität werden immer mehr mit systemfeindlichen Bedeutungen aufgeladen. (…) Die Worte sind Charaktermasken. Sie zeigen etwas vor, um etwas anderes um so leichter verbergen zu können. Das Eigentliche ist die Gleichschaltung; aber der Zuschauer erblickt ein menschliches Gesicht. Die Umprogrammierung des Geistes ist im Gange, während das Publikum noch über Mienenspiele diskutiert. Die Gesellschaft büßt rasch an Vielfalt ein.“ Das war zum damaligen Zeitpunkt in bürgerlichen Kreisen wenn nicht konsens-, dann doch mehrheitsfähig. Aber das galt je länger je weniger, und während Zehm entschlossen an dem als richtig erkannten festhielt und dafür mit Verfemung zahlte, entschied sich Herbert Kremp für eine komfortable Art innerer Emigration. Das sollte weder verschwiegen noch allzu milde beurteilt werden.

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„Der Beherrscher eines vielgeltenden Blattes in Wien gab, als er eine Reise antrat, seinem Vertreter die Weisung: ‘daß Sie mir aber ja nichts Unbezahltes aufnehmen!’ ‘Ich will offen sein, ich bin einmal die Hure von Berlin, geben Sie Geld, wenn Sie wollen, daß so und so geschrieben werde’, sagte ein anderer Herr von der Presse. Den Grundsatz: das Geld zu nehmen, wo man es finden kann, haben gegenwärtig unzählige Schriftsteller sich angeeignet. Lob und Tadel ist feile Waare geworden.“ (Heinrich Wuttke: Die deutschen Zeitschriften und die Entstehung der öffentlichen Meinung. Ein Beitrag zur Geschichte des Zeitungswesens, Hamburg 1866.)

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Bildungsbericht in loser Folge CXXVI: Angesichts des Zwangs zum „home schooling“ hat jemand kommentiert: Es dämmert den Eltern, daß nicht der Lehrer das Problem war.

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Die Selbstauflösung des „Flügels“ der AfD hat in den Qualitätsmedien die erwartbaren Reaktionen ausgelöst. Deren Tenor lautet, das genüge nicht, die Partei selbst sei das Problem, der Extremismus längst bis in jeden Winkel der Alternative gedrungen. Wirklich infam wird es allerdings, wenn die bürgerlichen Blätter in der Folge das Gejammer anstimmen, es fehle an einer Partei der gemäßigten Rechten, die jenen Konservativen und Nationalen eine Heimat bieten könne, die sich durch die Union nicht mehr vertreten fühlten. Infam ist das insofern, als diese Tonangeber im Zweifel alles tun, um das Entstehen einer derartigen Formation zu verhindern und lieber den Schulterschluß mit der Volksfront üben, sobald es darum geht, deutschen Tories den Weg zu bahnen, also irgendeiner Gruppierung jenseits von Langeweile und Faschismus.

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 10. April in der JF-Ausgabe 16/20.