© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/20 / 03. April 2020

AfD verliert Flüüüüüüügel?
Umfrage: Wie die Wähler finden, daß sich der Zusammenschluß der Parteirechten auflösen soll
Christian Vollradt

Heiß diskutiert wurde in den vergangenen zwei Wochen – und wird immer noch – in der AfD das Thema „Flügel“-Auflösung. Mit großer Mehrheit hatte dies der Bundesvorstand verlangt (JF 14/20), zuvor hatten mehrere Landesvorstände und zahlreiche Mitglieder dies gefordert. Die Anführer des innerparteilichen, informellen Zusammenschlusses, Björn Höcke und Andreas Kalbitz, erklärten schließlich, dem nachzukommen. In Hessen beispielsweise gingen die „Flügel“-Obleute voraus und beendeten das Projekt. Nicht allen paßte das, in diversen WhatsApp-Gruppen kursierten Nachrichten, in denen wortreich, mal frustriert, mal zornig über zuviel „Anpassung“ gemurrt wurde. 

Wie allerdings bewertet man außerhalb der AfD diese Vorgänge? Im Auftrag der JUNGEN FREIHEIT hat das Meinungsforschungsinstitut Insa das Stimmungsbild der Deutschen dazu in einer repräsentativen Umfrage eingeholt. Dabei kam heraus: Die absolute Mehrheit der Befragten (59 Prozent) findet die Entscheidung, den „Flügel“ der AfD um Björn Höcke aufzulösen, richtig. Lediglich neun Prozent tun dies nicht. Weitere 17 Prozent wissen hierauf keine Antwort und 14 Prozent machen keine Angabe. Bei denen, die sich aktuell als AfD-Wähler bekennen, fällt die Zustimmung zur Ankündigung der Auflösung zwar etwas verhaltener als bei der Gesamtheit der Befragten aus; mit 53 Prozent stellen die Befürworter auch unter den Wählern der AfD die absolute Mehrheit. Mit 29 Prozent geben jedoch unter ihnen deutlich mehr Befragte als bei den anderen beiden Gruppen an, daß sie die Entscheidung nicht richtig finden. 

Potentielle Wähler: mehr Abgrenzung nach rechts

Deutlich höher unterdessen ist die Zustimmung zur Auflösung des „Flügels“ unter den potentiellen Wählern der AfD: 72 Prozent derer, die sich grundsätzlich vorstellen könnten, die AfD zu wählen (aber es derzeit noch nicht tun), halten die Entscheidung für richtig – und damit wesentlich mehr als unter der Gesamtheit der Befragten oder den AfD-Wählern. Nicht richtig finden die Ankündigung der Auflösung 14 Prozent der potentiellen Wähler und damit deutlich weniger als unter den aktuellen. Auch im Vergleich der Wähler anderer Parteien haben die Befürworter der Auflösung des „Flügels“ eine absolute Mehrheit, wenngleich in unterschiedlich hohem Ausmaß: Grünen- (71 Prozent), Linke- und Unions-Wähler (je 70 Prozent) geben am häufigsten an, dies richtig zu finden, SPD- und FDP- Wähler stimmen mit je 62 Prozent zu.

Bemerkenswert ist zudem, daß es bei der Antwort auf diese Frage keine großen Unterschiede zwischen West und Ost gibt. So äußerten sich 59 Prozent der Befragten im Westen und 61 Prozent der Befragten im Osten (inklusive Berlin) zustimmend zur angekündigten Auflösung des „Flügels“. 

Die vom Bundesvorstand der AfD beschlossene Anweisung, den Zusammenschluß „Flügel“ aufzulösen, der zwar über eine Präsenz im Internet und in den sozialen Netzwerken samt eigenem „Merchandising“ verfügte, jedoch offiziell gar keine (gewählten) Posten und Strukturen besitzt, ist für sich genommen etwas, das vorrangig die Partei intern betrifft. Doch hängt daran zweifellos auch die Frage, wo sich die AfD im Parteienspektrum verortet. Sie müsse eine „patriotische, demokratische und bürgerliche Volkspartei“ bleiben, hatte Fraktionschef Alexander Gauland auf dem Bundesparteitag in Braunschweig gefordert. Den Traum einiger weniger von einer „kleinen sozialrevolutionären“ Truppe nannte er Ende vergangenen Jahres „unrealistisch“ und warnte seine Parteifreunde davor, Meinungsfreiheit mit Meinungstoleranz zu verwechseln.

Ein Blick auf die Ergebnisse der Insa-Umfrage könnte solche warnenden Töne bestärken. Mit 51 Prozent ist die absolute Mehrheit der Befragten der Ansicht, daß sich die AfD generell stärker vom rechten Rand abgrenzen sollte. Lediglich 13 Prozent sind gegenteiliger Ansicht. Diejenigen, die aktuell die AfD wählen würden, stimmen hier zwar mit 45 Prozent für eine stärkere Abgrenzung vom rechten Rand. Dies ist dennoch die relative Mehrheit dieser Befragtengruppe, da sich von ihnen nur 38 Prozent nicht dafür aussprechen. 

Bei potentiellen AfD-Wählern fällt unterdessen auf, daß mit 68 Prozent deutlich mehr Befragte dieser Gruppe für eine stärkere Distanzierung vom rechten Rand sind, als dies aktuelle AfD-Wähler oder der Gesamtdurchschnitt der Befragten äußern. Nur ein knappes Viertel dieser Gruppe (24 Prozent) ist gegen eine stärkere Abgrenzung. 

Insgesamt gibt es bei Wählern aller Parteien häufiger Zustimmung dazu, daß sich die AfD generell stärker vom rechten Rand abgrenzen soll, als daß dies abgelehnt wird. Am höchsten fällt die Zustimmung bei Linke- (61 Prozent), Grünen- und Unions-Wählern aus (je 59 Prozent). SPD- und FDP-Wähler würden eine solche Distanzierung jeweils zu 55 Prozent begrüßen. Gegen eine Abgrenzung sind erwartungsgemäß am häufigsten die Wähler der AfD (38 Prozent) und am seltensten die Wähler von CDU/CSU. Bei den restlichen Wählergruppen liegt der Anteil zwischen 12 und 15 Prozent. 

Und auch in dieser Frage gibt es keine nennenswerten geographischen Unterschiede. Der Forderung nach stärkerer Abgrenzung der AfD vom rechten Rand des Spektrums stimmten 51 Prozent im Westen und 53 Prozent der befragten Wähler im Osten (inklusive Berlin) zu.

Vor zwei Jahren hatte die JUNGE FREIHEIT schon einmal diese Frage gestellt (JF 13/18). Damals gaben 38 Prozent aller Befragten an, daß sich die AfD stärker vom rechten Rand abgrenzen sollte, ihre Anzahl hat sich also im Vergleich dazu heute deutlich erhöht. Unter den AfD-Wählern wünschten sich das damals – wie heute – 45 Prozent. Und von den potentiellen AfD-Wählern, die vor zwei Jahren befragt wurden, bejahten 59 Prozent diese Frage. Dieser Wert wuchs bei ihnen also um neun Prozentpunkte.

Laut der aktuellen Sonntagsfrage im Auftrag der Bild-Zeitung (siehe Grafik links) käme die AfD auf 12 Prozent. Eine Spezialität der Meinungsforscher von Insa: die „negative Sonntagsfrage“. Also die Frage, welche Partei „können Sie sich grundsätzlich gar nicht vorstellen zu wählen?“ Hier „führt“ die AfD mit weitem Abstand mit einem Wert von aktuell 73 Prozent, während alle anderen Parteien – bis auf die Linke (36 Prozent) – bei Werten unter 30 Prozent rangieren. Dieser Wert ist für die AfD im Laufe der Zeit allmählich gestiegen. Im Oktober 2018 beispielsweise lag er bei 68 Prozent, im März desselben Jahres noch bei 61. Innerhalb von zwei Jahren ist er also um zwölf Punkte gestiegen. Wie hatte der AfD-Ehrenvorsitzende Gauland seine Parteifreunde Ende November ermahnt? „Die Chance, die wir vertun, kommt nicht wieder.“ 

Unterdessen hat die baden-württembergische AfD den Landtagsabgeordneten Stefan Räpple ausgeschlossen. Das Landesschiedsgericht befand, daß sich Räpple des parteischädigenden Verhaltens schuldig gemacht hat. Ihm wurde eine zu große Nähe zu rechtsextremen Organisationen und Personen vorgeworfen. Außerdem enthob der AfD-Bundesvorstand am Dienstag den saarländischen Landesvorstand mit sofortiger Wirkung seines Amtes. Grund sind „schwerwiegende Verstöße gegen die Grundsätze oder Ordnung der Partei“. Bis zu einer Neuwahl führt ein Notvorstand aus drei Bundesvorstandsmitgliedern die Saar-AfD.