© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/20 / 03. April 2020

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Gegen den unsichtbaren Feind
Peter Möller

Die Bundeswehr macht für den Kampf gegen die Corona-Pandemie mobil. Jedenfalls ein bißchen. Und im Regierungsviertel reiben sich mache Politiker verwundert die Augen und blicken überrascht in das etwas abseits vom politischen Betrieb gelegene Verteidigungsministerium am Landwehrkanal. Dort im Bendlerblock hat Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) innerhalb kürzester Zeit einen Plan zur Unterstützung der zivilen Behörden bei der Bekämpfung der aktuellen Krise durch die Bundeswehr in Divisionsstärke ausarbeiten lassen.

„Hinter den Kulissen bereiten wir alles vor, um über das bisherige Maß hinaus in wesentlich größerem Umfang helfen zu können“, kündigte AKK am vergangenen Wochenende in der FAZ an. Bis zu 15.000 Soldaten werden dazu derzeit mobilisiert, darunter auch zahlreiche Reservisten, die sich nach einem Aufruf des Ministeriums zu Tausenden freiwillig gemeldet haben. An diesem Freitag soll die volle Einsatzbereitschaft hergestellt sein.

„Die Bundeswehr kommt dann ins Spiel, wenn die zivilen Kräfte es nicht mehr schaffen“, verdeutlichte die Ressortchefin. „Denken Sie daran, daß es nötig sein könnte, großflächig zu desinfizieren. Oder an besondere Krankentransporte für Beatmungspatienten, bis hin zu Flügen mit unseren speziellen Krankentransportflugzeugen. Wir haben vor allem viele Köpfe und viele Hände, die mit zupacken können.“

Laut Spiegel sollen im einzelnen 5.500 Soldaten für „Absicherung/Schutz“ zur Verfügung stehen, 6.000 für „Unterstützung der Bevölkerung“, 600 Militärpolizisten der Feldjäger für „Ordnungs-/Verkehrsdienst“, 2.500 Logistiksoldaten mit 500 Lastwagen für „Lagerung, Transport, Umschlag“ sowie zudem 18 Dekontaminationsgruppen mit etwa 250 Soldaten der ABC-Abwehr für Desinfektionsaufgaben.

Grundlage für den Einsatz ist die in Artikel 35 Absatz 1 des Grundgesetzes geregelte Amtshilfe. Längst ist in Berlin eine Diskussion darüber entbrannt, ob angesichts der umfassenden Auswirkungen der Corona-Krise die Befugnisse der Bundeswehr zur Amtshilfe im Inneren ausreichend sind. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter hat sich dafür ausgesprochen, Artikel 35 über Katastrophen und Unglücksfälle hinaus um Pandemien zu erweitern. Ähnlich sieht es sein Fraktionskollege Patrick Sensburg: Man müsse darüber nachdenken, den Begriff der kritischen Infrastruktur, zu deren Schutz die Streitkräfte eingesetzt werden können, zu erweitern. „Bislang war damit das Wasser- oder Elektrizitätswerk gemeint. Jetzt sehen wir, daß es auch um die Versorgung des Supermarkts um die Ecke oder von Lkw-Fahrern auf der Autobahn gehen kann“, sagte er der Welt. 

Doch damit stieß Sensburg bei SPD und Grünen auf harsche Ablehnung. „Eine Norm zur Selbstermächtigung der Bundeswehr brauchen wir nicht“, beschied knapp der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Fritz Felgentreu. Der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Tobias Lindner, warf der Union vor, sie nutze die Lage aus, „um die immer gleiche Debatte um die Bundeswehr im Inneren zu führen“.