© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/20 / 03. April 2020

Waidmanns Frust
Waffenrecht: Weil nun der Verfassungsschutz ein Wörtchen mitzureden hat, verzögert sich die Ausstellung von Jagdscheinen
Ronald Berthold

Welch unangenehme Überraschung, wenn aus einem Routinevorgang ein Problemfall wird: Da teilte die untere Jagdbehörde einem Jäger mit, es gebe noch Klärungsbedarf, bis sein Jagdschein verlängert werden könne. Warum? Wohl weil der Antragsteller zum „Flügel“ der AfD zählt, den der Verfassungsschutz mittlerweile als Beobachtungsfall einstuft. Begründet dies schon Zweifel an der Zuverlässigkeit?

Der Bundestag hat das Waffenrecht kurzfristig so geändert, daß neben dem Bundeszentralregister, dem staatsanwaltlichen Ermittlungsregister oder der örtlichen Polizeidienststelle nun auch noch der Verfassungsschutz gefragt werden muß, ob jemand Waffenbesitzer bleiben darf. „Die Mitgliedschaft in verfassungsfeindlichen, jedoch nicht verbotenen Parteien, kann künftig zur Regelunzuverlässigkeit führen“, erklärt der Deutsche Jagd-Verband (DJV). Wer als unzuverlässig gilt, verliert den Jagdschein.

Das Jagdjahr hat am 1. April begonnen. Immer noch warten viele Jäger auf ihre neue Erlaubnis. Das heißt nicht, daß all diese Weidmänner im Sinne des Verfassungsschutzes Extremisten sind. Allerdings braucht die Abfrage beim Inlandsgeheimdienst Zeit. Und die ist knapp. Erst am 20. Februar kam die Gesetzesänderung. Das bringt die Jäger auf die Eiche: „Unklarheiten im Verwaltungsablauf dürfen nicht zu Lasten derjenigen gehen, die auf ihren Jagdschein angewiesen sind“, beschwert sich DJV-Vizepräsident Ralph Müller-Schallenberg.

Vor allem kam das Chaos mit Ansage: Es sei abzusehen gewesen, so der Funktionär, daß die Gesetzesänderung in die Zeit der Jagdschein-Verlängerung falle. Nun fordert der DJV die Behörden auf, die Jagdscheine notfalls unter Vorbehalt des Widerrufs zu verlängern, sollte die Verfassungsschutzabfrage zu lange dauern. Und die Landesjägerschaft Niedersachsen klagt, es sei weder nachvollziehbar noch akzeptabel, wenn die Antragssteller aufgrund einer „bürokratischen Fehlplanung nicht rechtzeitig ihren Jagdschein erhalten“.

Als nicht hinnehmbar bezeichnet auch der forstpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Peter Felser, diese Verzögerungen: „In diesen Wochen stehen für Jäger wichtige Arbeiten an, die Reviere müssen eingerichtet werden. Und gerade jetzt, da uns die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest droht, kommt es auf die Jäger an“, meint der stellvertretende Bundestagsfraktionsvorsitzende im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. Felser hat noch weitergehende Bedenken: „Es ist zu befürchten, daß es hier zu willkürlichen Entscheidungen kommt, wann jemand als unzuverlässig gilt.“

Gefahr des illegalen         Besitzes von Munition

Beim DJV herrscht auch grundsätzliches Unverständnis. Denn zur Vergabe des Jagdscheins sei das Bundesjagdgesetz „gar nicht geändert“ worden: „Es gibt keinesfalls eine Rechtsgrundlage dafür, daß dieser nicht verlängert wird, weil die Verfassungsschutzabfrage nicht oder nicht zeitgerecht erfolgt ist.“

Der Verband rät den als unzuverlässig verdächtigten Jägern, Verwaltungsrechtsschutz zu beantragen. „Die Entscheidung über die waffen- oder sprengstoffrechtliche Erlaubnis trifft nach wie vor die zuständige Behörde und nicht der Verfassungsschutz.“ Sollte sich die Behörde auf Erkenntnisse des Verfassungsschutzes stützen, „muß sie das gerichtsfest belegen können“. Könne sie es nicht, „weil der Verfassungsschutz seine Quellen nicht preisgibt oder keine belastbaren Fakten benennt“, werde das Gericht wohl „einer entsprechenden Klage auf Erteilung stattgeben“.

In einem Schreiben an die Bundesregierung macht der DJV auch auf weitreichende Konsequenzen aufmerksam: „Ein fehlender Jagdschein kann dazu führen, daß ein bestehender Jagdpachtvertrag erlischt.“ Dann könne es zu „Schadensersatzforderungen des Verpächters kommen, was Amtshaftungsansprüche gegenüber Behörden und Ländern nach sich ziehen kann“. Außerdem bestehe ohne gültigen Jagdschein für Jäger sogar die Gefahr des illegalen Besitzes von Munition.

Insgesamt kann der DJV den Aktionismus der Politik nach den Anschlägen von Halle und Hanau nicht nachvollziehen. Zwar gehörten Waffen und Munition niemals in Hände von Extremisten. Er wirft dem Staat aber Versagen vor. Das Attentat von Hanau offenbarte „schwere Vollzugsdefizite“. Denn „die erste Version des Bekennerschreibens“ lag dem Generalbundesanwalt „bereits im November 2019“ vor. Das Waffengesetz habe den Behörden zu diesem Zeitpunkt ausreichende Möglichkeiten gegeben, „diese Tat zu verhindern“. Solche staatlichen Defizite dürften nicht dazu führen, „daß legale, unbescholtene Waffenbesitzer noch mehr belastet werden“.