© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/20 / 03. April 2020

Auf dem Weg zum „digitalen Bauchladen“
Digitalisierung: Angesichts der Umstrukturierungen erhöht der Verlag den Druck auf die Mitarbeiter
Martina Meckelein

Springer, das war ein Ruf wie Donnerhall! Bild oder Welt – Axel Springers Verlag mußte man nicht mögen, seinen Gründer ernst nehmen allerdings durchaus. Springer war konservatives Selbstverständnis. Für den Mitarbeiter, den Leser, wie auch den politischen Gegner. Springer ist die in Druckerschwärze gewalzte deutsche Gegenwartsgeschichte – na ja, nicht ganz. Im Grunde ist Springer Vergangenheit, und das nicht nur weil sein Gründer vor 34 Jahren verstarb. Das Unternehmen hat das Land, dem es seine Existenz verdankt, hinter sich gelassen. Doch: Wo geht er hin, dieser einst größte Verlag der jungen Bundesrepublik? 

„Wir wollen Weltmarktführer im digitalen Journalismus und bei digitalen Rubrikenangeboten werden“, zitierte das Journalistik-Portal Meedia am 20. September 2019 aus einem internen Schreiben des Finanzvorstands. „Diese Strategie setzen wir nun konsequent und mit hohem Tempo um“, heißt es weiter. Man wolle sich auf vier Kernbereiche fokussieren: News Media National und News Media International, die Aviv-Gruppe sowie StepStone. 

Für den Sprung ins Digitalgeschäft – Kritiker bezeichnen die Pläne als „Digitalen Bauchladen“ – muß sich Springer allerdings hübsch machen. Der Verlag, 1946 als GmbH gegründet, ging 1985 an die Börse. Vergangenes Jahr verkündete der Verlag seinen Wunsch nach Rückzug von der Börse und hat sich den US-Finanzinvestor Kohlberg Kravis Roberts (KKR) ins Bett geholt. 

Ende vergangenen Jahres gab die Kartellbehörde ihren Segen für die „strategische Partnerschaft“. KKR soll 44,9 Prozent der Anteile erwerben, Witwe Friede Springer und ihr Vorstandschef Mathias Döpfner hielten weiterhin 45,4 Prozent des Grundkapitals. Eigentlich für den 4. Mai geplant, soll das sogenannte „Delisting“, also der Rückzug von der Börse, jetzt bereits zwischen dem 6. und 9. April stattfinden. 

Stehen auf der einen Seite Investitionen in Bereichen an, in denen die Springer-Manager Wachstumschancen wittern, wollen sie in anderen Bereichen einsparen – Mathias Döpfner sprach von 50 Millionen Euro. Es trifft massiv das Personal, allein bei Bild und Welt geht es um 100 bis 200 Stellen. Nahmen mit Marion Horn, Chefredakteurin der Bild am Sonntag oder Thomas Drensek, Chef der verlagseigenen Druckereien in Kettwig, Spandau und Ahrensburg, Promis des Verlags schon den Hut, trifft es in der Masse den kleinen Mitarbeiter. 

„Uns ist klar, daß dies beim weiteren Umbau unseres Unternehmens auch schwierige Maßnahmen, wie z.B. Stellenabbau, umfaßt“, heißt das dann in neudeutschem Management-Sprech. Dabei gehe er davon aus, daß er keine betriebsbedingten Kündigungen aussprechen müsse, betonte Döpfner noch Anfang März bei der Vorlage der Bilanzzahlen.

Bild-TV soll weiter ausgebaut werden

Vielmehr bietet der Verlag seinen Mitarbeitern Auflösungsverträge an. Die Stimmung in der Belegschaft sinkt. Knapp 200 Mitarbeiter sollen sich bis Anfang Februar 2020 schon einverstanden erklärt haben, gegen eine bestimmte Summe freiwillig zu gehen. 

Allerdings hat sich das Personalmanagement wohl verrechnet, wie ein Springer-Mitarbeiter gegenüber der JUNGEN FREIHEIT erklärte. Zwar entspricht die Summe der kündigungswilligen Mitarbeiter den Berechnungen des Managements, doch nicht deren Gehalt und damit dem Einsparpotential. „Sie verdienen einfach zu wenig, als daß ihre Entlassungen auch nur Ansatzweise an die Summen heranreichen, die als Zielvorstellung fürs Einsparen vorgegeben sind.“ Das liege an den unterschiedlichen Gehaltsstrukturen, an alten und neuen Mitarbeiterverträgen und daran, ob sie im Verlag oder einer der vielen GmbH angestellt sind.

Bemerkenswert auch die Beschreibung eines ehemaligen Springer-Mitarbeiters gegenüber der JF. „Das Arbeitsumfeld in einer Tochter des Verlags wurde zunehmend unangenehm. Kollegen hatten keinen eigenen Arbeitsplatz, mußten tagtäglich an einem anderen Schreibtisch sitzen. Wer kündigen sollte, wurde an den Toilettentüren plaziert.“ Woran die Manager nicht gedacht haben sollen: „Mit einem Schlag kündigten Anfang 2020 aus einer Abteilung sechs Layouter – deren Abgang war von den Chefs aber gar nicht gewollt.“

Springer beschäftigt über 16.000 Mitarbeiter, sein bisheriges Zugpferd Bild brach in der verkauften Auflage um 10,3 Prozent auf 1.280.653 Exemplare im vierten Quartal 2019 ein (Vergleich zu 2018: 1.427.988 Exemplare), auch bei der Welt sinkt die Auflage stark. 

Das Handelsblatt meldete unter Bezug auf die Deutsche Presseagentur im Februar 2020: „Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) lag im Geschäftsjahr 2019 bei 630,6 Millionen Euro und damit um 14,5 Prozent unter dem Vorjahreswert. Bereinigt um Konsolidierungseffekte wie Zu- und Verkäufe und Währungseffekte verringerte sich der Wert um 11 Prozent, wie es weiter hieß.“ Als wesentlichen Grund für den Rückgang habe Springer Rückstellungen genannt, die für die angekündigte Restrukturierung im Mediensegment gemacht wurden.

Der Konzernumbau drückt also den Gewinn. Ungeachtet dessen will die Bild ihr TV-Konzept weiter ausbauen. Anfang April 2018 begann das Boulevardblatt damit, Videoformate live zu streamen und legte sich gleich mit der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der Landesmedienanstalten an. Die „entscheidet zentral über Zulassungsanträge privater TV- und Radioveranstalter, die ihr Programm bundesweit ausstrahlen möchten“, heißt es auf deren Seite. Nun, Springer sah das anders, klagte und verlor, besann sich und verfolgt laut ZAK nun doch die Zuteilung einer offiziellen Rundfunklizenz. Ob diese bewilligt wird?

Der ehemalige Springer-Mitarbeiter Kai-Hinrich Renner berichtet in seiner Kolumne „Medienmacher“ in der Berliner Zeitung am 27. Februar, daß der Bild-Chefredakteur Julian Reichelt plane, neben journalistischen TV-Beiträgen auch solche von Laien einzuspielen. Die Fortführung der alten Bild-Idee der „1414“-Leserfotos nun als Videos. Der Konsument soll auch Produzent und Zulieferer von Inhalten werden.

Es geht um eine Rundfunklizenz

Was die Redaktion zu leisten vermag, wo es noch an der Technik hapert und wie groß das Kundeninteresse an den Streamingangeboten ist, zeigt sich jetzt in der Corona-Krise. Sie ist zu einem Belastbarkeitstest für Springers Digital-Strategie geworden. Bereits zuvor testete das Team um Bild-Chef Julian Reichelt mehrere Online-Formate, wie beispielsweise die „Townhall Meeting“-Adaption „Hier spricht das Volk“. Mit der Verpflichtung von Marcel Reif als Sport-Kommentator und Fußball-Podcaster gelang Bild ein kleiner Scoop, nur liegt die Bundesliga wegen des Covid-19-Virus derzeit auf Eis.

Am 26. Februar 2020 gab die Medienanstalt Berlin Brandenburg (mabb) bekannt, daß die Bild GmbH bei ihr eine Rundfunkzulassung für alle Bild-Videoformate beantragt habe. Die Sendungen sollen auf bild.de, in den Bild-Apps sowie auf sozialen Plattformen wie Facebook und Youtube veröffentlicht werden. 

Die mabb erklärte gegenüber der JF, den Antrag momentan noch zu prüfen. „Anfang nächster Woche“ werde eine Entscheidung erwartet. Das letzte Wort hat dann allerdings die ZAK.