© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/20 / 03. April 2020

Alles politisch motiviert
Wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft historische Projekte fördert
Thomas Schäfer

Die Geschichtswissenschaft ist weder unpolitisch noch objektiv, auch wenn ihre Vertreter permanent betonen, daß sie sich kritisch-analytischer Methoden bedienen. Das war schon immer so, seit die Geschichtsschreibung zur Geschichtswissenschaft und damit zu einem eigenständigen akademischen Fach mutierte.

Allerdings haben sich die Schwerpunkte bezüglich der Manipulation der historischen Realität in der Vergangenheit mehrmals verschoben – zumindest beim Mainstream innerhalb der Disziplin. Zunächst wurde vor allem den Herrschenden nach dem Munde geredet und eine „ruhmreiche“ Geschichte ihrer Dynastien konstruiert. Dann dominierten die Handlagerdienste bei der Implementierung von Ideologien, seien es die aus der Ecke des zunehmenden Fortschrittswahns oder seien es die des Kommunismus beziehungsweise Stalinismus.

Nach den beiden Weltkriegen wiederum stand das Bestreben im Vordergrund, sich auf die Seite der Sieger zu schlagen und die Geschichte in ihrem Sinne darzustellen. Hierzu gehörte eine vielfach recht weit gehende Abkehr von dem Rankeschen Prinzip, zu „zeigen, wie es eigentlich gewesen.“ Unbequeme Wahrheiten wurden unterdrückt und bestimmte Ereignisse nach Kräften ignoriert oder verschwiegen, wenn sie die weltanschauliche Umerziehungsarbeit behinderten. Dieser Prozeß ist jetzt überwiegend abgeschlossen. Statt dessen sind die staatlich besoldeten Historiker nun oftmals damit beschäftigt, die große Transformation der westlichen Gesellschaft in Sinne des Genderismus, Klima-Alarmismus und Multikulturalismus sowie der damit verbundenen quasireligiösen Vergötterung des Migranten „wissenschaftlich“ zu begleiten und voranzutreiben. Hierfür gibt es mittlerweile eine Unzahl von Beispielen.

In der Mediävistik wurde der „queer turn“ untersucht

So begann auch die Geschichtswissenschaft, die Geschlechtsidentitäten nicht mehr als etwas Natürliches, sondern als soziales Konstrukt zu betrachten. Ein entsprechendes erstes Projekt förderte die mit über drei Milliarden Euro Steuergeld pro Jahr finanzierte Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) von 2000 bis 2005. Die Folge war unter anderem der „queer turn“ in der Mediävistik, also die Suche nach Belegen für eine angeblich weit verbreitete Homosexualität im Mittelalter. Oder man befaßte sich plötzlich akribisch mit schwulen Kritzeleien auf öffentlichen Toiletten im Stockholm der Jahre 1906 bis 1932 sowie deren vermeintlicher Bedeutung.

Eine ganz wichtige Rolle spielten zudem auch Prostituierte. Die Erforschung des Treibens von Kurtisanen in der chinesischen Qing-Zeit war der DFG genauso üppige Geldzahlungen wert wie das Schicksal der Huren in der georgischen Hauptstadt Tiflis seit Anbeginn des 20. Jahrhunderts. Ebenso wurde die „Affektive Maskulinität“ vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg nicht vergessen – dank der fünf Jahre lang großzügig gesponserten Forschungsarbeit von Professor Beate Binder von der Humboldt-Universität zu Berlin.

Mit dem Siegeszug der Klimahysterie erlebt die Geschichtswissenschaft des weiteren einen Rückfall in alte deterministische Zeiten: Der Ablauf historischer Ereignisse wird nun wieder verstärkt mit einem einzigen, alles entscheidenden Faktor erklärt. Nur daß es sich bei diesem nicht mehr um die Rasse oder ähnliche Konstrukte handelt, sondern um das Klima. Dessen Veränderungen sollten beispielsweise für den Niedergang der julisch-claudischen Kaiserdynastie im antiken Rom verantwortlich gewesen sein. Oder für den Aufstieg beziehungsweise Fall der Assyrer. Und für die meisten Gewaltausbrüche zwischen 8000 v. Chr. und der Gegenwart: Laut Solomon Hsiang, Marshall Burke und Edward Miguel von der University of California in Berkeley existiert ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Ausbrechen von Kriegen, ethnischen Konflikten und politischen Unruhen sowie der „Erderwärmung“.

Gleichzeitig wurde der Homo sapiens als notorischer Umweltfrevler entlarvt, der sein Unwesen bereits während der letzten Eiszeit trieb. Bei der Jagd seien ihm die ohnehin schon spärlich vorhandenen Bäume im Wege gewesen, weshalb er kurzerhand den Wald angezündet und so für die Versteppung weiter Teile Europas gesorgt habe. Das jedenfalls meinen Forscher der Universität Lausanne.

Ökologisch deutlich vorbildlichere Vertreter unserer Spezies sollen hingegen vor 7.000 Jahren eine Mauer an der Küste der Levante errichtet haben, um sich vor dem Anstieg des Meeresspiegels zu schützen. Daß dieses Bauwerk wahrscheinlich aber nur als Abwehrmaßnahme gegen von See kommende Angreifer gedacht war, verdrängen die Experten dabei mit aller Macht. Offensichtlich wollen sie einfach nicht an Einfälle fremder Aggressoren denken, weil Migration und „Flucht“ – auch die mit der Waffe in der Hand – mittlerweile als etwas ebenso Normales wie Bereicherndes gelten, obwohl letztlich immer nur ein verschwindend kleiner Prozentsatz der Menschheit auf Wanderschaft ging und die vielfältigen negativen Folgen der Migration in Vergangenheit und Gegenwart schwerlich ignoriert werden können.

Multiethnizität gilt als historisches Vorbild

Jedenfalls legen die Geschichtswissenschaftler nun verstärkt Studien vor, in denen sie eine multiethnische und multikulturelle Zusammensetzung der Bevölkerung von Metropolen wie Rom oder London ab deren frühesten Gründungstagen behaupten – egal, wie fragil die Datenlage hierzu ausfällt. Gleichzeitig wird die „Toleranz und Harmonie“ in derartigen „Schmelztiegeln“ beschworen.

Hierzu paßt, daß die Deutsche Forschungsgemeinschaft seit 2016 eine von Fachwissenschaftlern gestaltete Wanderausstellung mit dem Titel „Migration – Niemand war schon immer hier“ finanziert, durch welche man der Allgemeinheit vermitteln will, daß Migration „selbstverständlicher Bestandteil des Menschseins“ ist.

Vor diesem Hintergrund ist es geradezu schizophren, wenn die Galionsfiguren der mehrheitlich vom Staat alimentierten deutschen Historikerzunft in einer Resolution dazu aufrufen, „gegen den politischen Mißbrauch von Geschichte“ vorzugehen. So geschehen auf dem letzten Historikertag in Münster (JF 43/18).