© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/20 / 03. April 2020

Frisch gepresst

Weltenlenker. Der Historiker Joachim Paschen war Direktor der Staatlichen Landesbildstelle Hamburg und lebt seit 2009 im „Unruhestand“, wie sein kürzlich veröffentlichtes monumentales Werk zur Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges verrät. Von ihm, einem Schüler Fritz Fischers, würde man eine weitere Studie über ein nach wie vor geschichtspolitisch brisantes Thema erwarten, das mit „eindeutigen“ Schuldzuweisungen auftrumpft. Derartiges ist aber oft nicht einmal bei simplen Taschendiebstählen zu ermitteln, geschweige bei einem Weltkriegsausbruch. Paschen verzichtet daher ebenso auf die Konstruktion von Monokausalitäten à la Fischer wie auf manche Komplexitätsreduktionen der als „revisionistisch“ stigmatisierten Literatur. Pointierte Thesen fehlen also in dieser öde Moralisierungen weitgehend vermeidenden klassischen Darstellung von Machtdiplomatie. Gravierender ist da schon die Vernachlässigung ideologischer Motive bei „Weltlenkern“ wie Stalin, Roosevelt und Hitler, und natürlich die Nichtbeachtung sozioökonomischer Kriegsursachen. (ob)

Joachim Paschen: Die Weltenlenker. Zur Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs, Lau-Verlag, Reinbek 2019, gebunden, 732 Seiten, Abbildungen, 39,95 Euro





Carl Schmitt. Ausweislich seiner Tagebücher aus den 1920ern war der Staatsrechtslehrer Carl Schmitt ein Mann, der seine Frau im Akkord betrog. Trotzdem wird man nach der Lektüre seines Briefwechsels mit Duschka Todorovi?, seit 1926 verheiratete Schmitt, dem trefflichen CS-Editor Martin Tielke wohl zustimmen müssen, wenn er einleitend urteilt: die Korrespondenz „ist das Dokument einer großen und dauernden Liebe“. Von der Zeit, als sich der Bonner Professor in die serbische Studentin verliebte, bis zur „Sorge um und der verzweifelten Zuwendung zu seiner sterbenden Frau 1950 zeugen die Briefe von einer anhaltenden und tiefen Zuneigung“. Eine Liebe, die ihre Bewährungsprobe bestand, als die US-Besatzungsmacht Schmitt wegen seiner publizistischen Unterstützung für das NS-Regime als „Sündenbock für die gesamte Zunft“ inhaftierte und ihn erst im Herbst 1946 aus einem Lager in Berlin-Lichterfelde entließ. Um ihn 1947 noch einmal zu verhaften, vielleicht um ihn in Nürnberg anzuklagen, doch Näheres kann Tielke nicht mitteilen, da der US-Geheimdienst die Akte Schmitt bis heute geheimhält. (dg)

Martin Tielke (Hrsg.):  Carl Schmitt – Duschka Schmitt. Briefwechsel 1923–1950, Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2020, broschiert, 440 Seiten, Abbildungen, 69,90 Euro