© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/20 / 10. April 2020

Clemens Traub. Der Klimaaktivist geht mit „Fridays for Future“ hart ins Gericht.
Der letzte Linke
Bernd Rademacher

Clemens Traub ist ein typischer Junglinker und sieht auch so aus: Bionade-Gesicht mit Hipster-Flaum ... Stopp! Nein, er ist eben kein „typischer Linker“, denn er sagt etwa: „Wer in München, Hamburg oder Stuttgart aufwächst, kennt das Wort ‘Strukturwandel’ nur aus Arte-Dokumentationen über Detroit oder Duisburg.“ Oder: „Ostdeutsche Kohlereviere mit ihren Sorgen sind für westdeutsche Akademikerkinder so weit weg wie die Venus für Marsmenschen.“

Der 22jährige wirft der „Fridays for Future“-Bewegung „empathielose Überheblichkeit“ vor – dabei war er selbst ein Teil von ihr. Der aus der rheinland-pfälzischen Provinz stammende Juso entschied sich, in Mainz Politik zu studieren. Dort stieß er zu den Klima-Aktivisten der Landeshauptstadt, deren urbane „Abgehobenheit“ ihn aber schnell abzustoßen begann, deren „blinder Fanatismus“ ihn gar „zur Weißglut“ brachte. Der Konflikt eskalierte im November 2019, als FFF-Pennäler aus westdeutschen Städten den ostdeutschen Tagebauarbeitern im Lausitzer Kohlerevier gegenüberstanden. Und als eine Kommilitonin aus privilegierten Verhältnissen schließlich kaltschnäuzig meinte, die Kohlekumpel könnten doch Hartz IV beantragen, riß Traub der Geduldsfaden. 

In seinem nun erschienenen Buch „Future for Fridays. Streitschrift eines FFF-Kritikers“ rechnet er gnadenlos mit der Arroganz der Arzttochter- und-Juristensohn-Bewegung ab, die Arbeitern und Armen vorwirft, keinen ökologisch vorbildlichen Lebenswandel zu führen. 

Traub, der nach dem Abitur ein Freiwilliges Soziales Jahr bei der SPD-Fraktion im Mainzer Landtag absolvierte, mahnt auch: Der beste „Kampf gegen Rechts“ sei, vor der eigenen linken Haustür zu kehren, denn die Linke habe die „normalen Leute“ längst vergessen. Denn die sozial homogene, linke obere Mittelschicht empfinde „Artensterben hipper als Altersarmut und Gender cooler als Grundrente“.

Für den jungen Sozialdemokraten, der inzwischen als Werkstudent beim ZDF arbeitet, „riecht links nach deftigem Schnitzel im Vereinsheim statt Bio-Shushi. Linkssein hört sich für mich nach herzlichem Dialekt an und weniger nach hippen Anglizismen. Links sein bedeutet für mich, Orte zu schätzen, die für keinen Travel-Blog geeignet sind, aber mehr Halt geben als jede Ratgeberliteratur.“ Das ist ganz der Geist der guten alten Sozialdemokratie – für seine Kommilitonen allerdings „das reine Entsetzen“.

Traub ist zu jung, um zu wissen, daß diese mentale Entwicklung der Linken bis zu den 68ern zurückreicht, die es der Arbeiterklasse nie verziehen haben, daß diese sie abblitzen ließ. So mißtraut die Linke bis heute ihrer traditionellen Arbeiterklientel und hat sich den „edlen Wilden“ als Ersatzobjekt revolutionärer Beglückung erkoren. Vielleicht bringt der Jungspund ja zumindest einige Altersgenossen zum Nachdenken.