© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/20 / 10. April 2020

Fieber runter durch Steuern rauf
Corona-Pandemie II: Links der Mitte ist der Anlaß willkommen, den Wunschzettel nach mehr Umverteilung hervorzuholen / „Starke Schultern stark beteiligen“
Paul Rosen

Das Ausmaß der coronabedingten Weltwirtschaftskrise ist noch unklar, aber auf der linken Seite des politischen Spektrums wird eifrig an Rezepten gearbeitet, die weder neu noch innovativ sind: Neue Steuern sollen die Wirtschaft retten.

Am einfachsten machte es sich die Linkspartei: Deren Chef Bernd Riexinger holte einen im Bundestag seit Jahren wiederholt eingebrachten Antrag seiner Fraktion hervor, wonach Vermögen ab einer Million Euro mit jährlich fünf Prozent belastet werden sollen. Die kleinen Leute, die ihren Job verlieren oder kurzarbeiten müßten, hätten die größten Lasten der Corona-Krise zu tragen. Die Vermögensabgabe solle einen gerechten Ausgleich schaffen.

Bei den Grünen gibt es seit langem ähnliche Pläne. Sie wollen Vermögen ab einer Million Euro (bei Freibeträgen für Kinder) für zehn Jahre mit 1,5 Millionen Euro belasten. Was einst gedacht war, um die finanziellen Folgen der letzten Finanzkrise abzumildern, ist für Grüne auch heute wieder gegen die Folgen der Corona-Krise geeignet.

Vorstandsgehälter sollen begrenzt werden

Für Aufsehen sorgte eine Forderung der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken, weil sie auf den Kurs von Linken und Grünen einschwenkte und eine Vermögensabgabe forderte: „Wir werden eine faire Lastenverteilung brauchen – und die kann für die SPD nur so aussehen, daß sich die starken Schultern in Deutschland auch stark beteiligen.“ Der Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) kam mit einem ähnlich Vorschlag auf den Markt, den er als Lastenausgleich bezeichnete. Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) soll angeblich gereizt auf solche Vorschläge reagiert haben, doch die Stimmung in seiner Partei geht eindeutig in Richtung der linken und grünen Ideen, was der ehemalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel schon vor Jahren zum Ausdruck brachte, als er im Bundestag die Pläne der Grünen als „exzellenten Vorschlag“ bewertete. Um „Reichenverfolgung“ gehe es nicht, sondern es sei „Patriotismus für unser Land“, wenn die Wohlhabenden etwas mehr zahlen würden, argumentierte Gabriel.

Welche Folgen eine Umsetzung zum Beispiel der Linken-Vorstellungen hätte, machte der CDU-Wirtschaftsexperte Christian Freiherr von Stetten deutlich: „Dann ist das Haus nach 20 Jahren weg.“ Auch heute argumentiert die Union gegen höhere Belastungen und empfiehlt wie die finanzpolitische Sprecherin Antje Tillmann Steuersenkungen nach der Krise. Gegen die SPD durchgesetzt hat sich die Union damit schon in der Vergangenheit nicht: Der Solidaritätszuschlag wird auch 2021 von Unternehmen in voller Höhe weiter bezahlt werden müssen. Entlastet werden nur untere und mittlere Einkommen.

Viele Unternehmen dürften aber auch mit Steuersenkungen nicht mehr zu retten sein. Der Kaufhausbetreiber Galeria-Kaufhof ist insolvent, Fluggesellschaften wie Lufthansa und Condor treiben ebenso auf den Abgrund zu wie die Deutsche Bank oder der Reiseveranstalter TUI. Die deutschen Autohersteller waren schon vor Corona angeschlagen. Ein Blick auf den aktuellen Börsenwert macht dies deutlich: Die Daimler-Aktie notierte vor fünf Jahren noch bei 90 Euro. Zuletzt waren es nicht einmal mehr 25 Euro. Auch die Deutsche Bank notierte vor zehn Jahren noch bei 100 Euro. Derzeit sind es keine sechs Euro mehr.

Vom Hilfsprogramm der Bundesregierung für die bedrohte Wirtschaft in Höhe von 600 Milliarden Euro stehen 100 Milliarden für Staatsbeteiligungen an Unternehmen bereit. Die Summe ist enorm: Damit könnte der Bund die Autohersteller Audi, Daimler und BMW komplett übernehmen; sollte die Krise noch weiter auf die Kurse drücken, würde es auch noch zum Vollerwerb der Deutschen Bank (Wert: 11,4 Milliarden Euro) reichen.

Schon fordert die SPD nach dem Vorbild der in der Finanzkrise vom Staat geretteten und seitdem teilstaatlichen Commerzbank eine Begrenzung der Vorstandsgehälter bei den vom Staat übernommenen Unternehmen auf 500.000 Euro pro Jahr und ein Verbot von Boni-Zahlungen. Verbessert haben diese Einschränkungen und die Staatsbeteiligung die Lage der Commerzbank übrigens nicht. War die Commerzbank-Aktie vor der letzten Finanzkrise rund 175 Euro wert, so betrug der Kurs zuletzt vier Euro – ein Verlust von rund 98 Prozent.