© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/20 / 10. April 2020

Krisengewinner und Überlebenskünstler in der Corona-Krise
Nervenstärke gesucht
Thomas Kirchner

Zehn Millionen Arbeitslose in zwei Wochen, die Computer des US-Arbeitsministeriums (DOL) und der Behörden in den Bundesstaaten und Überseeterritorien sind überlastet. Hinter diesen erschreckenden Zahlen verbirgt sich aber eine Stärke der amerikanischen Firmen: Während das deutsche Arbeitsrecht Entlassungen erschwert, hat die US-Konkurrenz ihren Angestellten sofort gekündigt – die Arbeitslosen- und Sozialhilfe ist nun für sie zuständig. Hire and Fire erhöht die Überlebenschancen von US-Privatunternehmen. Deutsche Firmen müssen hoffen, daß sie vom Staat gerettet werden, wenn ihnen das Geld ausgeht.

Ein Neustart der Wirtschaft wird deshalb in den USA wohl leichter fallen. Die Aktienmärkte gaben während des Corona-Crashs bereits einen Vorgeschmack: Das Dax-Tief lag fünf Prozentpunkte unter dem amerikanischen S&P-500-Index. Im Dax sind Luftfahrt, Konsumgüter und Industrie die am stärksten gebeutelten Branchen. Im S&P 500 sind Kreuzfahrtlinien, Kaufhäuser und Luftfahrt am schwächsten. Und nach der Corona-Krise dürften sich Fluglinien mit viel Geschäftsreisenden schneller erholen als Ferienflieger. Auch Konsumgüter und Industrie werden dann schnell wieder loslegen. Pharma- und Biotechnologie haben zugelegt, dürften aber ohne Covid-19 in den Schlagzeilen wieder an Beliebtheit verlieren.

Die US-Fracking-Branche mit ihren vergleichsweise hohen Kosten wird eine lange Phase niedriger Ölpreise nicht überleben. Integrierte Konzerne hingegen (Shell, BP, Exxon, Repsol, Gazprom) verfügen hingegen über stabile Raffinerie- und Vertriebssegmente, so daß man sich um ihr Überleben nicht sorgen muß. Nur deren großzügige Dividenden dürften künftig niedriger ausfallen.

Banken und Versicherungen werden hingegen künftig nicht nur unter Niedrigzinsen, sondern auch Kreditverlusten leiden. Dividendenzahlungen werden bereits von der Finanzaufsicht untersagt, so daß ihre Hauptattraktivität als Anlage wegfällt. Wie Banken unter solchen Bedingungen, soweit notwendig, neues Kapital einsammeln sollen, steht in den Sternen.

Die besten Anlagemöglichkeiten werden sich im Aufschwung in Nischen finden. Beispielsweise haben einige Immobiliengesellschaften (REITs) weit höhere Kursverluste als der Gesamtmarkt verbucht, ohne daß es dafür triftige Gründe gibt. Die in den USA beliebten Hypotheken-REITs, veröffentlichen in diesen Tagen aktuelle Buchwerte, und es ist zu erwarten, daß einige weniger stark eingebrochen sind als die Kurse der Aktien. Grundsätzlich sind auch Übernahmekandidaten oder Anleihen, die kurz vor der Restrukturierung stehen, attraktive Anlagemöglichkeiten, da sie im allgemeinen Chaos leicht übersehen werden. Es ist gut möglich, daß die Kurse noch einmal abrutschen. Wer aber wartet, bis sich die Märkte ganz beruhigt haben, wird viele Chancen verpassen.