© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/20 / 10. April 2020

Sollen lebenswichtige Güter in Deutschland produziert werden?
Vorsorge statt Improvisation
Jörg Fischer

Grenzkontrollen? Medikamente in Europa produzieren? Nicht auf ferne Billigzulieferer setzen? Medizinprodukte „Made in Germany“? Das galt als protektionistisch, nationalistisch und neurechts oder altlinks. Volkmar Denner brachte diese Denke in der NZZ auf den Punkt: „Die Automobilindustrie ist nicht zum ersten Mal mit Herausforderungen für die Lieferkette konfrontiert“, erklärte der Bosch-Chef. „So wurde in der Fuku­shima-Katastrophe die Halbleiterfabrik eines wichtigen Lieferanten zerstört. Man muß solche Abhängigkeiten erkennen und entscheiden, ob man sie akzeptieren kann oder zum Beispiel einen zweiten Standort braucht.“

Wenn es um Geschirrspüler, Heimwerker- oder Klimaschutztechnik geht, lassen sich Ausfälle sicherlich „akzeptieren“. Doch im Gesundheitswesen ist „wieder staatliche Regulierung und Resilienzbildung gefragt“ und nicht die Schließung der Hälfte aller Kliniken aus Effizienzgründen: „Um strategische Autonomie zurückzugewinnen“, müsse künftig mehr auf die Diversität der Zulieferer, auf Vorratshaltung und Redundanzen geachtet werden. Das klingt nach AfD, Pat Buchanan, Sahra Wagenknecht oder Viktor Orbán, aber das schreibt Mathias Rogg vom German Institute for Defence and Strategic Studies (Gids). „Die Bewirtschaftung bestimmter Ressourcen, deren Bedeutung oft erst im Verlauf einer Krise deutlich wird, muß frühzeitiger erkannt und zentral gesteuert werden“, so der Bundeswehr-Oberst im Gids-Papier „Covid-19 – die Pandemie und ihre Auswirkungen auf die Sicherheitspolitik“.

Die drohende Gefahr einer Pandemie war bekannt, sagt Rogg. Ja, spätestens seit dem „Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012“ (Bundestagsdrucksache 17/12051) hätte Vorsorge getroffen werden müssen. Doch nun wird improvisiert und mit viel Steuergeld zu Mondpreisen eingekauft, was noch zu haben ist.