© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/20 / 17. April 2020

René Nehring will der konservativen „Preußischen Allgemeinen“ die Zukunft weisen.
Zu neuen Ufern
Bernhard Knapstein

Auf der Kommandobrücke der gerade erst 70 Jahre jung gewordenen Preußischen Allgemeinen Zeitung (PAZ) steht ein neuer Mann. Der 45jährige René Nehring hat Ende vergangenen Jahres die Chefredaktion der Wochenzeitung übernommen – und mit der ersten Ausgabe einen sichtbaren Wandel eingeleitet.

Der 1975 im mecklenburgischen Neustrelitz geborene Journalist hat Wurzeln im ostpreußischen Wehlau – schon für den Jugendlichen war das eine Verpflichtung zur Wahrung des kulturellen Erbes. Er gehörte der ostpreußischen Jugend an, war über Jahre deren Bundesvorsitzender. Nach dem Wehrdienst bei den Gebirgsjägern studierte Nehring Geschichte, Politik und Russistik. So zeigte er schon bei der Wahl der Fächer den Blick nicht nur nach hinten, sondern auch gleich nach vorn. Von der Humboldt-Universität zog es ihn mit einem Stipendium der Deutschen Burschenschaft an die Königsberger Albertina, in einer Zeit, in der das Königsberger Gebiet einen großen Aufbruch durchlebte. Seine Erlebnisse und Begegnungen am Pregel beschreibt er in seinem Buch „Namen, die man wieder nennt“.

Der Magister machte sich als Verleger und Journalist selbständig. Er schrieb unter anderem für Die Welt, deren stellvertretender Chefredakteur Johann Michael Möller sein Potential erkennt und ihn für den Chefsessel des in Hamburg erscheinenden Rotary-Magazins gewinnen kann.

Nach mehr als 15 Jahren bei den Rotariern hat er nun, im Dezember 2019, die PAZ-Chefredaktion übernommen – und dem Blatt umgehend frische Segel verpaßt. Mit dem Wegbrechen der Erlebnisgeneration hat die Landsmannschaft als Herausgeberin den Weg frei gemacht, um konservative Nicht-Ostpreußen als neue Leser zu gewinnen. Der mit seiner Familie im Havelland lebende Nehring steht für einen klaren Blick nach Ost-Mitteleuropa, ein preußisches Selbstbewußtsein und politisch für einen eher liberalkonservativen Kurs. Das mag einigen Lesern, die der schärferen Tonart zugeneigt sind, nicht „rechts“ genug sein. Gleichwohl wird der neue Kurs der Zeitung unter Nehrings Führung neue Tore aufstoßen.

Die PAZ hat eine gute Perspektive in einer Nische, die andere Zeitungen nicht abdecken können oder wollen, denn die politische Reibungsfläche zwischen Berlin, Warschau und Moskau hat große Relevanz für die EU, auch wenn sich, global betrachtet, die geopolitische Tektonik verschoben haben mag. Die PAZ ist das geeignete Medium, um aktuelle Entwicklungen hier zu verfolgen, ohne allgemeinpolitische Fragen und preußischen Lebensstil zu vernachlässigen.

René Nehring hat Erfahrung, den Stallgeruch der Herausgeberin und Sinn für notwendige Weiterentwicklungen von Medien. Es spricht einiges dafür, daß es ihm gelingt, das für Vertriebenenmedien typische Wegbrechen der Leser aufzuhalten.