© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/20 / 17. April 2020

Plötzlich steht der „müde“ Ex-Vize allein da
USA: Bernie Sanders’ Rücktritt überraschte, doch viele Demokraten zweifeln, ob Joe Biden Trump überhaupt besiegen kann
Liz Roth

Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe. Bernie Sanders beendet offiziell seine Kampagne. Das teilte er in einem Video kurz vor Ostern mit. Sanders, der parteilose Senator aus Vermont, schaffte es somit auch im zweiten Versuch nicht, genug Delegierte in den einzelnen Bundesstaaten zu gewinnen, um bei dem nun verschobenen Parteitag der Demokraten im August in Milwaukee die Nominierung der Partei für das Amt des US-Präsidenten zu bekommen. 

Sanders geriet mehr und mehr ins Hintertreffen

In den vergangenen Monaten hatten er und Joe Biden, Vizepräsident unter Barack Obama, sich aus dem großen Feld der Kandidaten als potentielle Gewinner hervorgehoben. Der selbsternannte demokratische Sozialist lag in vielen Staaten bei Umfragen in Führung und gewann die meisten Stimmen in den frühen Vorwahlen in Iowa, New Hampshire und Nevada.

Der „Super Tuesday“ am 3. März, der Dienstag, an dem die meisten Staaten wählen, brachte dann die Wende. Joe Biden gewann, entgegen der Erwartung vieler Experten und entgegen ersten Prognosen, fast alle Staaten und ging klar in Führung. Mit weiteren Siegen an wichtigen Schauplätzen wie Michigan, Florida und Illinois baute er diese weiter aus. Ende März war Sanders fast schon abgeschlagen, und die Verschiebung der Vorwahlen im April aufgrund der Corona-Pandemie bedeutete nun das Ende seiner Kampagne. 

Das Establishment der Demokraten und die Parteispitze hatten sich zum wiederholten Mal gegen die ideologische Kampagne und die sozialistische Agenda von Sanders ausgesprochen. „Es war beeindruckend zu sehen, was sie alles taten, um sicherzugehen, daß Sanders nicht der Kandidat sein würde“, erklärte der konservative Medienunternehmer Glenn Beck im Gespräch mit Ben Shapiro, Chef des Nachrichtenportals Daily Wire. „Mit einem bekennenden Sozialisten, der immer wieder die Castros und die Russen verteidigt, sahen die Demokraten, wie sie bei der Wahl eine historischen Niederlage hinnehmen müßten“, resümierte Beck.

„Es ist interessant zu beobachten, wie Sanders die Menschen begeisterte, eine ganze Bewegung ins Leben rief, aber dann gegen einen Mann verliert, der nicht empfindungsfähig ist“, faßte Shapiro zusammen. 

Während eines Video-Livestreams mit Joe Biden am Ostermontag versprach Sanders dem Ex-Vizepräsidenten öffentlich seine Unterstützung im Wahlkampf. In seinem Abschiedsvideo, Tage zuvor, hatte er noch angekündigt, seinen Namen auf den Stimmzetteln beim Parteitag zu lassen. 

Biden und Trump bei Umfragen gleichauf

„Wir müssen zusammenkommen, um jemanden zu besiegen, der, wie ich glaube, der gefährlichste Präsident in der jüngsten Geschichte dieses Landes ist“, verkündete Sanders dem mutmaßlichen Präsidentschaftskandidaten. Biden wiederum versprach Unterstützern von Sanders, daß er ihre Belange ernst nehmen werde. 

Laut New York Times liegt Biden in den Umfragen leicht vor Trump, während eine Fox-News-Analyse beide Kandidaten mit jeweils 42 Prozent der Stimmen auf Augenhöhe sieht. Allerdings schenken viele Amerikaner diesen Umfragen nur noch wenig Glauben, denn spätestens seit sie am Wahlabend 2016 Hillary Clinton eine Siegeschance von 98 Prozent gaben, werden diese Zahlen mit viel Skepsis betrachtet.

Biden weilt momentan in Selbstisolation in seinem Haus. Während seiner diversen Videonachrichten ans Volk wirkt er alt und gebrechlich und hat Schwierigkeiten, ganze Sätze zu sprechen. „Biden ist ein müder Karrierepolitiker. Der Kontrast zwischen dem Präsidenten und Joe Biden ist enorm und läßt den Präsidenten besser aussehen“, kommentierte die ehemalige Sprecherin des Weißen Hauses, Sarah Huckabee, Bidens Auftreten in der Öffentlichkeit. 

Viele Demokraten sind sich nicht sicher, ob Biden stark genug ist, Donald Trump zu besiegen. Immer wieder gibt es in den Medien Vorschläge für Kandidaten der letzten Stunde.

Corona-Krise überschattet den Wahlkampf

Der Unternehmer Mark Cuban, Eigentümer des Basketballclubs Dallas Mavericks und bekannt aus der US-Version der TV-Serie „Die Höhle der Löwen“, schließt eine Kandidatur nicht mehr aus. „Ich hätte es bis vor einem Monat niemals in Erwägung gezogen, aber die Dinge ändern sich momentan so schnell und dramatisch. Ich halte mir die Tür offen“, teilte er über die Osterfeiertage mit.

Auch Andrew Cuomo, der Gouverneur von New York, der viel Lob in bezug auf seinen Umgang mit der Pandemie in New York City einheimste, wird in der Presse als Alternativkandidat präsentiert. „Unter keinen Umständen stehe ich für das Amt zur Verfügung“, stellte er allerdings schnell klar.

Ausschlaggebend für Bidens Zukunft wird dessen Besetzung des Vizepräsidentenamts sein. Mit großer Wahrscheinlichkeit fällt die Entscheidung auf eine Frau. Ehemalige Kontrahentinnen bei  den Vorwahlen wie Kamala Harris, Amy Klobuchar oder auch Elizabeth Warren werden hoch gehandelt. Einige erträumen sich sogar die ehemalige First Lady Michelle Obama als Vizepräsidentin. Doch bis heute halten sich die Obamas geschickt zurück.

Denn eins sicher, die Corona-Krise dagradiert die Vorwahlen der Demokraten zum Nebenkriegsschauplatz. Meldungen über die Ausbreitung des Virus, Donald Trumps tägliche Pressekonferenz und die Rekordarbeitslosenzahlen – 17 Millionen Anträge auf Arbeitslosenunterstützung seit März – bestimmen den derzeitigen  amerikanischen Nachrichtenzyklus.