Der Angriff sollte aus der Luft erfolgen: Mit ferngesteuerten Drohnen, per Fallschirm oder mit einem Gleitschirm wollten fünf islamistische Terroristen im Namen der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) in Deutschland Sprengstoffanschläge auf zwei amerikanische Militärstützpunkte verüben. Zudem planten sie nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden, den Islamkritiker Amir Masoud Arabpour (siehe Seite 3) aus Neuss zu ermorden.
Doch in der vergangenen Woche machte die Polizei den tadschikischen Asylbewerbern einen Strich durch die Rechnung. Spezialeinheiten verhafteten vier der fünf Mitglieder der mutmaßlichen Terror-Gruppe, 350 Polizisten durchsuchten zudem zahlreiche Objekte in Nordrhein-Westfalen, unter anderem in Solingen, Siegen, im Kreis Heinsberg. Der Aktion vorausgegangen waren mehrere Monate dauernde umfangreiche Ermittlungen einer 20 Beamte umfassenden Sonderkommission im Düsseldorfer Polizeipräsidium.
Die Ermittler werfen den festgenommenen Azizjon B., Muhammadali G., Farhodshoh K. und Sunatullokh K. sowie dem bereits seit März 2019 in Wuppertal in Untersuchungshaft sitzenden Ravsan B., vor, sich im Januar 2019 dem IS angeschlossen und in dessen Auftrag eine Terrorzelle in Deutschland gegründet zu haben. Ursprünglich wollten die Islamisten nach Tadschikistan zurück, um dort im „Dschihad“ gegen die Regierung zu kämpfen. Doch dann entschieden sich die Männer im Alter zwischen 24 und 32 Jahren, die 2011 und in den folgenden Jahren als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen waren, in Absprache mit IS-Führungsmitgliedern in Syrien und Afghanistan, Terroranschläge in Deutschland zu verüben.
„Anschlagsziele sollten dabei Einrichtungen von US-amerikanischen Streitkräften in Deutschland oder auch Einzelpersonen sein“, teilte die Bundesanwaltschaft in der vergangenen Woche mit. Für den geplanten Mordanschlag auf Amir Masoud Arabpour, der sich aus Sicht der Beschuldigten in der Öffentlichkeit islamkritisch geäußert hatte, war dieser bereits durch den Verdächtigen Sunatullokh K. ausgespäht worden. Zudem waren nach Angaben der Ermittler auch amerikanische Luftwaffenstützpunkte in Deutschland ausgekundschaftet worden. Auch scharfe Schußwaffen und Munition hatten sich die mutmaßlichen Terroristen bereits beschafft. Den für die geplanten Bombenanschläge notwendigen Sprengstoff wollten die Männer offenbar selbst herstellen. Hierzu hatte sich der Beschuldigte Ravsan B. nach Angaben der Bundesanwaltschaft Anleitungen für die Herstellung sogenannter unkonventioneller Spreng- und Brandvorrichtungen beschafft. Einige der hierfür notwendigen Komponenten seien bereits über einen Versandhandel im Internet erworben worden.
Seit längerem als Gefährder im Visier
Nach Einschätzung der Ermittler handelt es sich bei den fünf Tadschiken um Männer, die zu allem entschlossen waren und vor nichts zurückschreckten. Daher habe mit dem Schlimmsten gerechnet werden müssen. Die nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden hatten drei der Männer bereits seit längerem als Gefährder im Blick, denen jederzeit ein Anschlag zugetraut wird. Zwei galten als „relevante Personen“, die von den Behörden als Unterstützer und Logistiker für Terroranschläge in Frage kommen.
Den Durchbruch in den Ermittlungen brachte die Verhaftung von Ravsan B. im März 2019. Ihm waren die Beamten durch abgehörte Telefonate eines anderen islamistischen Gefährders auf die Spur gekommen. Da sich in den Gesprächen ernstzunehmende Hinweise auf Terrorplanungen fanden, durchsuchte die Polizei Anfang 2019 unter anderem die Wohnung von Ravsan B. – und fand eine scharfe Schußwaffe. Der Tadschike kam in Untersuchungshaft, gegen ihn wurde zunächst wegen des Verdachts des Verstoßes des Kriegswaffenrechts ermittelt. Doch die Auswertung seiner Handydaten führte die Ermittler schließlich zu der jetzt zerschlagenen Terrorzelle. Dabei war die Herkunft der Männer für die Polizei Neuland und erschwerte die Ermittlungen: „Extremisten aus Tadschikistan hatte vorher niemand auf dem Schirm“, zitiert der Spiegel einen Beamten. Es sei etwa schwierig gewesen, für abgefangene Chats und Telefonate überhaupt Übersetzer zu finden.
Zur Finanzierung ihrer Planungen sowie zur Unterstützung des IS in Syrien sammelten die Beschuldigten nach Angaben der Bundesanwaltschaft Geld in Deutschland und transferierten dieses über in der Türkei ansässige Finanzagenten an die Vereinigung. Besonders bizarr: Um an noch mehr Geld zu kommen, wollte sich Ravsan B. als Killer verdingen und nahm im Januar 2019 einen mit 40.000 Dollar dotierten Auftrag für einen Mordanschlag in Albanien an. „Zur Umsetzung dieses Vorhabens reisten die Beschuldigten Ravsan B. sowie Farhodshoh K. nach Albanien. Die Ausführung des Auftrages scheiterte allerdings kurzfristig, woraufhin sich die Beschuldigten Ravsan B. und Farhodshoh K. zurück nach Deutschland begaben“, lauten die Erkenntnisse der Bundesanwaltschaft.
Offenbar brachen die drei Männer den Auftrag ab, weil sie sich unsicher waren, ob die von ihnen zeitweise in einem Café observierte Person in Albanien tatsächlich die richtige war.