© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 18/20 / 24. April 2020

Ländersache: Niedersachsen
Olaf und der Wolf
Christian Vollradt

Ist der Mensch für seine Mitmenschen ein Wolf – wie der römische Komödiendichter Plautus eine seiner Figuren einst sagen ließ? Oder ist vielleicht das genaue Gegenteil der Fall, daß nämlich der Wolf seinen Mitwölfen gegenüber ein Mensch ist? In Niedersachsen gilt letzteres, zumindest in finanzieller Hinsicht. So hätte etwa die rot-schwarze Landesregierung einen Leitrüden auch ein Jahr lang als Spitzenbeamten in der Besoldungsgruppe B einstellen können. Dem Landeshaushalt wäre dadurch kein größerer Schaden entstanden als der sechsstellige Betrag, den man aufwenden mußte, um dem Tier mit dem Verwaltungskürzel „GW717m“ nachzustellen. Vergeblich, wohlgemerkt. 

„Wir waren erfolglos“, hatte Umweltminister Olaf Lies (SPD) gegenüber dem Radiosender NDR 1 Niedersachsen einräumen müssen. Rund 14 Monate hatte man versucht, den Wolf, der die Gegend um Nienburg an der Weser mit erkennbar folgenreichem Appetit auf Nutztiere wie Schafe und sogar mindestens drei Rinder durchstreifte, aus seinem Rudel „zu entnehmen“ – sprich in die ewigen Jagdgründe zu befördern. 

Beauftragt hatte man damit einen externen Dienstleister, der mit einem ganzen Kompetenzteam bestehend aus einem Jäger, einem Biologen, einem Tierarzt sowie sogar einem Trapper aus Südeuropa anrückte. Weil aber auch das Fallenstellen am Ende keinen Erfolg brachte, wurde die Jagd abgeblasen. Das Bundesnaturschutzgesetz, so resümierte Lies, habe sich in seiner bisherigen Form als untauglich erwiesen. Denn dies sah zwingend vor, daß nur ein eindeutig als Problemwolf identifiziertes Tier getötet werden dürfe. Das sei „vollkommen realitätsfern“ gewesen. Eine Neuregelung enthalte diese Individualisierungspflicht nicht mehr, es gebe mehr Spielraum, die Ausnahmegenehmigung zur Tötung auf ein Rudel zu beziehen.

Wenn nun aber das Umweltministerium wie geplant anstatt auf Trapper-Fachkräfte aus dem Ausland künftig auf die Beteiligung einheimischer Jäger setzen möchte, stellen diese eine Bedingung: Sie müssen beim Abschuß von Problemwölfen rechtlich auf der sicheren Seite stehen. Zusätzlich forderte der Präsident der Landesjägerschaft, Helmut Dammann-Tamke, daß die beteiligten Waidmänner und -frauen anonym bleiben. Der Wunsch, den der CDU-Landtagsabgeordnete namens der Grünröcke formulierte, ist durchaus nachvollziehbar, denn mancher Tier- ist kein Menschenfreund.

Etwa 230 Wölfe leben in Nieder-sachsen. Zu viele für eine „dicht besiedelte und intensiv genutzte Kulturlandschaft“, meint die oppositionelle AfD und fordert eine Begrenzung auf deutschlandweit maxinal 500 Tiere.

Allein im vergangenen Jahr haben die Wölfe das Land Niedersachsen nach Angaben des Umweltministeriums etwa eine Million Euro gekostet. Ein Großteil des Geldes ging für Schutzmaßnahmen und – wenn die nicht ganz so erfolgreich waren – für DNA-Analysen an Isegrimms Opfern drauf. Wie heißt es so schön: „Barmherzigkeit gegenüber dem Wolf ist Grausamkeit gegenüber dem Lamm.“ Wollte man das sogenannte Wolfsmanagement des Amtsschimmels in Hannover mit einer griffigen Überschrift zusammenfassen, wäre der Titel des eingangs erwähnten Plautus-Stücks wahrlich nicht ungeeignet: „Asinaria“, zu deutsch „Eselskomödie“.