© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 18/20 / 24. April 2020

Gesundheit süß-sauer
WHO-Versagen und Corona-Epidemie: Vorwurf der Vertuschung zugunsten Pekings / Trump-Regierung hält Zahlungen zurück
Liz Roth

Es gibt vorerst kein Geld mehr für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) von den USA. Während einer Pressekonferenz im Rosengarten des Weißen Hauses teilte US-Präsident Donald Trump mit, daß die Vereinigten Staaten alle Zahlungen an die internationale Organisation mit Hauptsitz in Genf mit sofortiger Wirkung einstellen werden. Als Grund nannte er Fehlverhalten im Umgang mit der Corona-Krise. „Die WHO hat ihre grundlegenden Pflichten verletzt und muß zur Verantwortung gezogen werden“, begründete Trump seine Entscheidung. Das ist ein Schlag ins Gesicht, denn die USA sind der größte Geldgeber. Eine Untersuchung der Vereinigten Staaten soll in 60 Tagen, in denen Finanzmittel zurückgehalten werden, etwaige Unzulänglichkeiten analysieren.

Die Eskalation des Konflikts zwischen der Trump-Regierung und der WHO basiert auf einer Kette von Ereignissen. Washington wirft der WHO, einer Unterorganisation der Vereinten Nationen, vor, die Welt nicht ausreichend und rechtzeitig vor dem Virus gewarnt zu haben. Sie habe durch ihr Verhalten „wertvolle Zeit“ vergeudet. Frühe Berichte von Taiwan über die Verbreitung seien von Genf ignoriert worden, und die WHO hätte den Chinesen, insbesondere der kommunistischen Führung in Peking, geholfen, durch ihr inaktives Verhalten und den Spielraum, den sie ihnen gab, das tatsächliche Ausmaß der Pandemie zu vertuschen.

Die Vertuschung von Wuhan wurde schon früh von unabhängigen chinesischen Journalisten detailliert beschrieben. So hatte ein Labor in China bereits im Dezember vergangenen Jahres das seltsame neue Virus isoliert und identifiziert. Daraufhin hatten die Behörden befohlen, die Arbeit einzustellen, die Proben loszuwerden und zu schweigen. Es dauerte fast einen weiteren Monat, bis das Regime zugab, daß in der Provinz Hubei eine Sars-ähnliche Ansteckung explodierte, die durch menschlichen Kontakt verbreitet wurde. Als der mit 33 Jahren im Februar verstorbene Augenarzt Li Wenliang versuchte, die Öffentlichkeit vor dem neuartigen Coronavirus zu warnen, wurde er festgenommen und der „Verbreitung falscher Gerüchte“ beschuldigt sowie „die soziale Ordnung ernsthaft zu stören“. Alle Diskussionen über das Virus wurden fortan zensiert.

Eine erste Studie der Universität von Southampton belegt nun: Hätte China drei, zwei oder eine Woche früher reagiert und die Weltgemeinschaft über den Ausbruch des neuartigen Virus informiert, wären die globalen Fälle und die Ausbreitung um bis zu 95, 86 beziehungsweise 66 Prozent geringer gewesen.

Es ist keine Überraschung, daß das Regime in Peking über die Ausmaße der Epidemie lügt, denn es lügt eigentlich über alles. Von Wirtschaftsdaten bis hin zu Zahlen zur Luftverschmutzung. Die Kommunistische Partei verbreitet Desinformationen, um sich selbst zu schützen und positiv darzustellen.

Was Chinas offizielle Zahlen zu Fällen und Todesfällen betrifft: Es handelt sich offensichtlich um eine Untertreibung. Kurz nach Trumps Zahlungsstopp an die WHO kam heraus, daß alleine in Wuhan die Zahlen um 50 Prozent höher sind als berichtet wurde. Was die Krankheitshäufigkeit betrifft: Chinas Gesundheitszahlen zählten nicht einmal infizierte Patienten, wenn sie positiv getestet wurden, aber asymptomatisch blieben.

Taiwan warnte bereits im Dezember vor Sars-CoV-2

Im Januar war eine WHO-Mission dann endlich nach China gereist und hatte nach viel Druck auf Peking unter Führung des Epidemiologen Bruce Aylward kleine Studien durchführen dürfen. Immer wieder lobten sie die Kooperation der Chinesen öffentlich und vertrauten ihren Angaben nahezu blind. Aylward ist mittlerweile in einem viral gegangenen Video aufgeflogen, wie er kritische Fragen zu Taiwan und der chinesischen Führung aus dem Weg geht.

Immer wieder wurde in den höchsten Tönen über das Land gesprochen, das für den Ausbruch verantwortlich ist. „China setzt neue Standards fest, wie mit Epidemie-Ausbrüchen umzugehen ist“, sagte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus über das Handeln von Präsident Xi – und kritisierte später US-Präsident Trump, daß er das Virus für politische Zwecke mißbrauche.

Als Donald Trump sich im Februar dann für ein Reiseverbot aussprach, kritisierten ihn die WHO und Tedros: „Wir bekräftigen unseren Aufruf an alle Länder, keine Beschränkungen einzuführen, die den internationalen Reiseverkehr und Handel unnötig behindern. Solche Restriktionen können dazu führen, daß Angst und Stigmatisierung zunehmen, ohne daß die öffentliche Gesundheit davon profitiert.“ Kurze Zeit später entschloß sich die Weltgemeinschaft, das Reisen fast komplett einzustellen.

Die taiwanesische Regierung erklärte Mitte März, daß sie bereits Ende Dezember sowohl die WHO als auch die Regulatoren der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV), Teil der WHO, über eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung informiert hatten. Mediziner vom chinesischen Festland hatten ihren Kollegen in Taiwan über Infektionen von behandelnden Ärzten berichtet. WHO-Generaldirektor Tedros hatte noch bis Mitte Januar darauf beharrt, daß eine solche Art der Übertragung, entgegen unzähligen gegenteiligen Aussagen von Experten, unwahrscheinlich sei.

„Während die interne Website der IGV allen Ländern eine Plattform für den Austausch von Informationen über die Epidemie und ihre Bekämpfung bietet, werden keine der Informationen, die von unserem Land ausgetauscht werden, dort eingestellt“, sagte Chen Chien-jen, Taiwans Vizepräsident. Taiwan ist kein Mitglied der WHO. Auf Druck Rotchinas wurde Taipehs Beitrittsantrag 2004 abgelehnt. Der WHO-Chef konterte die Vorwürfe Taiwans und unterstellte Taipeh, eine Kampagne gegen ihn zu führen, die aufgrund seiner afrikanischen Herkunft rassistisch motiviert sei.

Für die meisten Medien ist Trumps Entscheidung nicht gerechtfertigt, und sie unterstellen ihm, die WHO und China als Sündenböcke für sein eigenes Fehlverhalten im Umgang mit Covid-19 zu benutzen, so zum Beispiel der britische Guardian. Trump hatte, wie viele andere Staatschefs, erst spät Maßnahmen zur Eindämmung eingeführt. Auch die Opposition spricht sowohl der WHO als auch China jegliche Schuld an der momentanen Situation ab.

Während Japan und Australien Trump in seinem Handeln unterstützen, hat sich der deutsche Außenminister Heiko Maas hinter die WHO gestellt und auf ihre „unverzichtbare Rolle in der Pandemie“ hingewiesen.

Diese Meinung vertrat auch der Virologe Alexander Kekulé in einem Interview mit dem MDR, gestand aber Trump zu: „Wir sehen in dieser Pandemie wirklich keine gute Leistungsfunktion der Organisation.“ Er warf der WHO vor, eine „extrem politische Organisation“ zu sein und erklärte, daß Generaldirektor Tedros deshalb „China immer mit Samthandschuhen“ anfasse.

Die WHO ist keine unabhängige Organisation. Etwa 20 Prozent des Budgets werden über Beitragsgelder der Mitgliedsstaaten finanziert, während 80 Prozent von privaten Förderern und Interessengruppen kommen, die ihre Zuwendungen nur projektgebunden bereitstellen.

WHO-Versagen bei Ebola-Ausbruch in Westafrika

Die Weltgesundheitsorganisation hat ein zweijähriges Budget. In den Jahren 2018/2019 belief sich die Gesamtsumme der Gelder auf über 5,6 Milliarden Dollar. Die drei größten Geldgeber waren die USA mit 14,7 Prozent, die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung mit 9,8 Prozent und die „GAVI Alliance“ für Impfungen weltweit mit 8,4 Prozent (die Organisation wird wiederum zu 75 Prozent von der Gates-Stiftung finanziert). Großbritannien und Deutschland sind auf Platz vier und fünf der größten Zahler.

Immer wieder gerät die Weltgesundheitsorganisation in die Kritik. Viele haben mehrfach zu grundlegenden Reformen aufgerufen. Vor der Corona-Krise versagte die WHO 2014 und 2015 im Umgang mit dem Ebola-Ausbruch in Westafrika. Laut Virologe Kekulé wurden Kardinalfehler in der Bekämpfung der Seuche begangen.

Auch Tedros gilt als schillernde Persönlichkeit. Seine Wahl zum WHO-Generaldirektor im Jahr 2017 war umstritten. Zum einen weil er als erster die Position bekam, ohne Mediziner zu sein, zum anderen weil die chinesische Regierung viel Lobbyarbeit geleistet hatte, um ihn ins Amt zu hieven. Schon seine Vorgängerin im Amt war von 2007 bis 2017 die Chinesin Margaret Chan. Ideologisch ist der Äthiopier mit Xi Jinping und Peking auf gleicher Wellenlänge. In den neunziger Jahren war er Teil der kommunistischen Junta, des ehemaligen militärischen Arms der heutigen Partei Volksbefreiungsfront von Tigray, die Äthiopien mit Gewalt übernahm. Während seiner Zeit als Gesundheitsminister zwischen 2005 und 2012 verschleierte er drei separate Cholera-Ausbrüche in seiner afrikanischen Heimat.