© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 18/20 / 24. April 2020

Wie das Licht die Welt malt
Impressionismus: Digitale Führung durch die Potsdamer Monet-Ausstellung
Fabian Schmidt-Ahmad

Claude Monet logiert derzeit im Palais Barberini in Potsdam. Im Gepäck über hundert Werke des impressionistischen Meisters, derzeit leider hinter verschlossenen Türen. Damit die Ausstellung „Monet – Orte“ dennoch ihr Publikum findet, hat das Museum Barberini nun gewissermaßen eine zweite Ausstellung mit täglich wechselnden Angeboten im Internet eröffnet. Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) hat einen gefilmten Ausstellungsrundgang mit Kurator Daniel Zamani beigetragen. Auch eine Monet-App vertröstet auf die Zeit nach der Quarantäne.

Die aktuellen technischen Hilfsmittel wahrnehmen, sie nutzen, das war auch Monets Motto. Nicht von ungefähr fällt in sein Geburtsjahr 1840 auch die kommerzielle Ausbreitung der Daguerreotypie. Festhalten, wie das Licht die Welt malt – was die beginnende Fotografie auf chemischem Weg versucht, Monet übernimmt dies für eine neuartige Bildauffassung, die später als „Impressionismus“ bekannt werden wird. Nur hier ist es das Auge des Künstlers, der die Taten und Leiden des Lichts wahrnimmt.

Dadurch erhält aber der Ort für den Künstler eine besondere Bedeutung. Eben das zeigt die Ausstellung mittels einer breiten Werkschau auf. Monet kann kein Ateliermaler sein, er muß vor Ort in und an der Natur arbeiten, dem unablässig sich ändernden Wechselspiel von einfallendem Licht und widerständigem Gegenstand nachspüren, manchmal auf mehreren Staffeleien zugleich. Dieses scheinbare freie Nachempfinden der Natur erstrebt aber die gleiche Wahrhaftigkeit einer Daguerreotypie an.

Wie akkurat Monet das Wahrgenommene dabei wiedergibt, wird selbst durch den großen zeitlichen Abstand ersichtlich. In Vorbereitung zur Ausstellung wurden die Orte aufgespürt, an denen einst Monet seine Staffelei aufstellte. Fotografien aus der Gegenwart zeigen die hohe Motivtreue, die Monet in seinen scheinbar subjektiv verfremdeten Bildern durchhält. „Monet machte mit seiner Malerei ein Spannungsfeld zwischen naturwissenschaftlicher Exaktheit und subjektiver Erfahrung auf“, hält Museumsleiterin Ortrud Westheider fest.

Bedingung war eine rege Reisetätigkeit Monets, die sich praktisch parallel zur rasanten Ausdehnung des französischen Eisenbahnnetzes entwickelt. Farbspiele auf der winterlichen Seine, Lichtbrechungen über der nebelverhangenen Themse, die Steilküste von Aval – ohne den technischen Fortschritt hätte Monet dies schwerlich bewältigt. Mit dem bekannten Bild des Bahnhofs Saint-Lazare setzt er diesem ein Denkmal – eines der wenigen Werke der Ausstellung, deren Motivgehalt eine weitergehende Interpretation zuläßt.

Ansonsten bleibt sich Monet treu, hält sich in seiner Subjektivität zurück und läßt das Wahrgenommene für sich sprechen. So wird auch ein Heuschober zum Weltweisen, der einen in die Geheimnisse des Lichts einweiht. Davon finden sich in der Ausstellung mehrere. Stiftungsmäzen Hasso Plattner, dessen 32 Monets den Grundstock der Ausstellung bilden, verriet zur Ausstellungseröffnung, wie seine Sammlungstätigkeit einst mit einem winterlich überfrorenen Getreideschober aus der Hand Monets begann.

Auch Plattners letzte, in der Ausstellung erstmals der Öffentlichkeit präsentierte Anschaffung (für die Rekordsumme von 111 Millionen US-Dollar), ist ein Heuschober, diesmal in sommerabendlicher Pracht. Der hochbetagte Monet derweil schränkt seine Reisen immer weiter ein. In seinem geliebten Seerosengarten in Giverny findet er zur letzten Vollendung. Die spiegelnde und doch verfremdende Wasseroberfläche bringt gewissermaßen Monets eigenes Kunstempfinden ins Bild: der Maler, der sich selbst zur Staffelei des Lichts machte.

Museum Barberini in Potsdam – Live Tour durch die Monet-Ausstellung:  www.museum-barberini.com