© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 18/20 / 24. April 2020

Der Rundfunkbeitrag soll entfallen
Gastbeitrag: Die AfD diskutiert die Reform der Öffentlich-Rechtlichen / Ein „Grundfunk“ ist im Gespräch
Joachim Paul

Pflügt die Corona-Krise die Medienlandschaft um? Reihenweise schicken überregionale und regionale Privatmedien ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit, Insolvenzen kündigen sich an. ARD und ZDF melden selbstbewußt millionenstarke Einschaltquoten für ihre analogen Nachrichtensendungen und demonstrieren erneut Regierungsnähe. Tenor: Im Gegensatz zu Trumps USA werden wir kompetent durch die Krise geführt. 

Was Medienwissenschaftler erschaudern läßt, gehört zum strategischen Einmaleins. Die Öffentlich-Rechtlichen lassen jene gut dastehen, die sich für den Status quo und seine Finanzierung stark machen, also GroKo plus Grüne. Frei nach Luther „Wes Brot ich es, des Lied ich sing“ klingt an. Die ins Haus stehende Debatte um die Erhöhung des Rundfunkbeitrags auf 18,36 Euro wird zugleich eine Auseinandersetzung um die Zukunft des teuersten öffentlich-rechtlichen Rundfunks der Welt. Obwohl sich das analoge Zeitalter dem Ende zuneigt, blieb der Kapitalberg von ARD, ZDF und Deutschlandfunk stets unangetastet. Mit einem Volumen von künftig zehn Milliarden Euro stellt er die Etats von Bundesministerien und mittelgroßen Staaten in den Schatten. 

Doch mittlerweile haben sich harte Fakten herumgesprochen: 42 Prozent der durchschnittlichen Ausgaben des Bundesbürgers für Medien – klassische Printmedien, Streamingdienste und Online-Portale – sind laut einer McKinsey-Studie für den Rundfunkbeitrag reserviert. Das Geld ist quasi Monat für Monat festgelegt, es wird für kein Produkt mehr ausgegeben, sei es noch so gut. Bei den 16- bis 29jährigen sind ARD und ZDF trotzdem chancenlos, sie schauen Netflix, Youtube, Amazon und ProSieben. Jüngst räumte SWR-Intendant Gniffke ein, daß er drei Viertel des Budgets für die Ü50-Zielgruppe ausgibt.

Eine Steuerfinanzierung erhöht die Abhängigkeit

Mit der Umgestaltung 2013 auf eine Haushaltsabgabe sieht das Gebührenmodell „Jeder zahlt für immer“ keinen Ausstieg vor. Es wurde maßgeblich vom rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) durchgedrückt, denn Medienpolitik ist Ländersache. Das analoge Erbe wird gerade in Zeiten vertikaler Kompetenzabtretungen sorgfältig gehütet. Alle Gesetze, die die Öffentlich-Rechtlichen betreffen – natürlich auch die Beitragserhöhung – müssen durch 16 Länderparlamente geschleust werden. Schert ein Bundesland aus, fällt das System zusammen. Dieses führt momentan die „Fernsehfürstin“, die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), an. Ihr Portfolio: Der von Beck geerbte Vorsitz der Rundfunkkomission, der Vorsitz des ZDF-Verwaltungsrates und die erfolgreiche Installierung des SPD-Mannes Gniffke (Gehalt: 340.000 Euro).

Teuer, verfilzt, aus der Zeit gefallen – es besteht dringender Reformbedarf. Das fordert länderübergreifend nur die AfD. Sie hat im „Programm für Deutschland“ (2017) die Abschaffung des Zwangsbeitrags und die Möglichkeit des Ausstiegs („Opt out“) gefordert. Daraus folgende Strukturveränderungen wurden jüngst von den medienpolitischen Sprechern der Landtagsfraktionen diskutiert. Die AfD ist künftig in der Pflicht, ihre Vorstellungen zu konkretisieren, will sie über eine sattsam bekannte Fundamentalkritik hinaus als kundige und medienpolitische Alternative ernst genommen werden. Auf einem Treffen in Berlin setzte sich die Position durch, nicht „tabula rasa“ zu fordern, sondern den Senderwildwuchs kräftig zu stutzen, so daß nur noch ein „Grundfunk“ übrigbleibt. 

Ein von den Fraktionen in Nord­rhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz entwickeltes Reformpapier stellt nun einen ersten Diskussionsbeitrag dar. Die Forderung ist ein schlanker, die föderale Struktur erhaltender Heimatfunk, der sich auf Information und Bildung sowie regionale Kultur, Tradition, Politik und natürlich hochwertige Dokumentationen konzentriert. Diese spielen übrigens trotz des hehren Anspruchs von ARD und ZDF dort keine Rolle. Die Interessenvertretung der Dokumentarfilmer (AG Dok) stellte für 2017 fest, daß nur 2,5 Prozent des gesamten Sendevolumens aus neuen Dokumentationen bestand. 

Durch ein werbefreies Portfolio, das Konzerte, Mundart und Tradition, Breiten- und Amateursport, Hobby, Lebenshilfe und nicht zuletzt anspruchsvolle Bildungsformate bietet, könnten die öffentlich-rechtlichen Sender die Medienlandschaft des Digitalzeitalters besser ergänzen. In einer immer schnelleren Welt eröffnen Geschichten, die „nah bei de Leut“ und zugleich jugendaffin sind, große Chancen. Nicht zuletzt dient es unserer Demokratie, wenn sich die Landes- und Kommunalpolitik nicht in kurzatmigen Formaten schlagwortartig wiederspiegelt, sondern vor Ort demokratische Entscheidungsprozesse dar- und zur Diskussion gestellt werden. Die digitale Welt bietet den Öffentlich-Rechtlichen eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Bürger direkt zu beteiligen. 

Für die Finanzierung des Grundfunks ist weder ein Kaufkraftverlust von zehn Milliarden Euro notwendig, noch der Zugriff auf Meldedaten, um „Gebührenschuldner“ zu ermitteln. Mein Kollege Sven Tritschler, medienpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion in NRW, und ich wollen unter dem Motto „Sie zahlen nicht mehr. Versprochen“ einen anderen Weg gehen: Der Rundfunkbeitrag entfällt komplett. Stattdessen sollen große private Medienunternehmen, die mit audiovisuellen Formaten Geld verdienen – quasi im Gegenzug – eine Abgabe zahlen, die der Digitalsteuer ähnelt. Medien-Giganten wie Amazon, Facebook, Netflix, Google, aber auch Bertelsmann kommen hier in Betracht. Ihnen soll es dann freistehen, Formate des Grundfunks nach deren Erstausstrahlung anzubieten.

Eine Finanzierung aus dem laufenden Staatshaushalt nach einer gar um den Rundfunkbeitrag erhöhten Besteuerung der Bürger kommt für uns nicht in Frage. Sie würde die informelle durch eine nahezu formelle Abhängigkeit des Rundfunks von der Parteipolitik ersetzen, und einen, auch dem Namen nach, Staatsfunk schaffen – und das ohne relle Entlastungen der Bürger.

Neuaufstellung der Rundfunkräte

Aus dieser Strukturreform ergeben sich für größere Private Markt-, für kleinere Private gar Überlebenschancen. So sieht Hans Demmel, Vorsitzender des Privatrundfunkverbandes Vaunet, bislang die Gefahr, daß die privaten Anbieter „zwischen US-Giganten wie Youtube und einem überbordenden öffentlich-rechtlichen Angebot auf allen Übertragungswegen zerrieben“ werden. 

Ein von der rheinland-pfälzischen AfD-Landtagsfraktion beauftragtes Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Landtags (AZ 52-1709) sieht in dieser Finanzierung durchaus eine rechtlich mögliche Alternative. Ein Grundfunk würde maximal zehn Prozent des bisherigen Beitragsvolumens ausmachen – noch immer stattliche 800 Millionen Euro, aber eine Einsparung von mehr als neun Milliarden Euro. Für die Erfüllung ihres neuen Auftrags sollen die regionalen Sendeanstalten jeweils nur ein Fernseh- und Radioprogramm gestalten, das drei Stunden täglich nach dem Network-Prinzip zu einem bundesweiten Programm zusammengeschaltet wird. Daneben sollen nur ein deutschlandweiter Fernseh- beziehungsweise Radiosender betrieben werden. Alle übrigen Sender und Formate sollen abgewickelt oder privatisiert werden. Das Eigentum der bisherigen Rundfunkanstalten, das für den Grundfunk-Betrieb nicht benötigt wird, wandert in einen Finanzierungs- und Abwicklungsfonds. Dieser trägt unter anderem die alten Verbindlichkeiten, wie die Pensionslasten. 

Um gleichzeitig mehr Transparenz zu gewährleisten und eine bürgernahe Kontrolle zu ermöglichen, sollen die bislang von Parteienvertretern oder parteinahen Verbänden bevölkerten Rundfunkräte einem gewählten Zuschauerparlament, einem Rat unabhängiger Experten und Vertretern der Kommune weichen, die Partei- und Verbandsmitgliedschaften sowie Beschäftigungsverhältnisse anzugeben haben. Die entsprechenden Staatsverträge sollen grundsätzlich für zehn Jahre gelten. Nach Ende dieser Frist wird die Existenzberechtigung zur Diskussion gestellt. Die jüngste Geschichte der Öffentlich-Rechtlichen nämlich lehrt: Ohne stetigen Reformdruck bewegt sich gar nichts.






Joachim Paul ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender sowie medien- und bildungspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag. Er wurde auf dem Bundesparteitag als Beisitzer in den Bundesvorstand gewählt. Aktuell arbeitet er an einer Kampagne der Bundespartei gegen den Rundfunkbeitrag, die zugleich für eine Strukturreform von ARD, ZDF und Deutschlandfunk werben soll.