© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 18/20 / 24. April 2020

Kabinenklatsch
Virus vs. „Türkische Kraft“
Ronald Berthold

Wird Hasan Kivran den Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp als Haßfigur der Ultras ablösen? Oder wird Corona das verhindern? In zwei Jahren stieg sein Verein Türkgücü München von der Landesliga über die Bayernliga in die Regionalliga auf. Und auch dort thront der Klub mit neun Punkten Vorsprung auf dem Spitzenplatz. Wird der Spielbetrieb fortgesetzt, ist der Aufstieg in die Dritte Liga reine Formsache.

Den Erfolg des Klubs mit der türkischen Fahne und den bayerischen Rauten im Wappen begründet eine alte Fußball-Weisheit: Geld schießt Tore. Der schwerreiche Vermögensverwalter Hasan Kivran finanziert Türkgücü. Ihm gehören 99 Prozent der ausgelagerten GmbH. Den Rest hält der Verein, den wiederum Kivran als Vorsitzender führt. Eigentlich ein klarer Verstoß gegen die 50+1-Regel, aber bisher hält der DFB still.

Unter einem türkischen Label könnte ein ziemlich autochthones Team entstehen.

Das Erstaunliche: Den Vorstand bilden zwar nur Türken, aber im Kader haben die Deutschen eine riesige Mehrheit. Vier Türken stehen 20 Deutschen gegenüber. Lediglich fünf davon haben einen Migrationshintergrund. 15 „biodeutsche“ Spieler – so viele spielen in keinem Bundes- oder Zweitligaverein. Unter einem türkischen Label könnte also ein ziemlich autochthones Team in den Profifußball einziehen.

Es sei denn, Kivran tauscht wieder fast den kompletten Kader aus. Das hatte er vor Beginn dieser Saison getan. Vielleicht hat der Klub deswegen kaum Fans? Im Stadion verlieren sich lediglich 461 Zuschauer im Schnitt. Apropos Arena: Türkgücü zieht gern um. Genauso oft wie der Klub aufstieg, wechselte er die Spielstätte. Seit der Winterpause spielt man im Stadion an der Grünwalder Straße, wo die wenigen Fans noch verlorener wirken als vorher in Heimstetten.

Kivran will seinen Klub im Falle des Drittliga-Aufstiegs sogar ins Ruhrgebiet verlegen. Aber hier protestiert der DFB. Bleibt die doppelte Frage, wo Türkgücü in der nächsten Saison spielt: An welchem Ort? Und vor allem: In welcher Liga? Nur ein kleines Virus könnte dafür sorgen, daß der große Traum vom unaufhaltsamen Aufstieg der „Türkischen Kraft“ noch platzt.