© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/20 / 01. Mai 2020

CD-Kritik: Elsa Dreisig, Jonathan Ware
Zum Schlafengehen
Jens Knorr

Eine „innere Reise durch die Jahreszeiten der Seele“ verspricht die dänisch-französische Sopranistin Elsa Dreisig und hält ihr Versprechen nicht. Außer der Tatsache, daß die Zeitgenossen Duparc, Rachmaninow und Richard Strauss auch für die Sängerstimme komponierten, eint sie wenig. So unterschiedlich ihre Kompositionen sind, so wenig unterschieden klingen sie bei Dreisig und ihrem Pianisten Jonathan Ware. Strauss’ „Vier letzte Lieder“, die nicht zyklisch konzipiert sind, haben Dreisig und Ware in der üblichen Reihenfolge – und wohl in der Klavierfassung von Wolff und Roth – über das ambitionierte Programm, quasi als Handlauf, verteilt, Strauss’ wirklich letztes Lied „Malven“ und das unvermeidliche „Morgen“ sowie Rachmaninows „Sechs Romanzen“ op. 38 und sieben „Mélodies“ von Duparc untergemischt und das Ganze durch Duparcs Klavierarrangement seines „Poème nocturne“ für Orchester „Aux étoiles“ gehälftet.

Dreisig gibt sich reiner, gebirgsklarer, mädchenhaft aufblühender Tongebung hin. Sie bevorzugt Einheits-Legato und spannungslos zerdehnte Tempi, die sie auch schon einmal dazu zwingen, Atem nachfassen zu müssen. Artikulatorische Schwächen tragen dazu bei, daß die Lieder wenig Relief bekommen. In „Im Abendrot“ nach Eichendorff vereinzelt Ware die Töne derart, daß jeglicher Zusammenhang flötengeht.

Elsa Dreisig Morgen Erato 2020  www.elsadreisig.fr www.warnerclassics.de