© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/20 / 01. Mai 2020

Wirtschaftliche Hintergründe zweier Plebiszite
Flensburg und Klagenfurt
(dg)

Bis zu zwölf Erhebungen des Bevölkerungswillens wurden 1919 in Versailles, Saint Germain, Trianon, Neuilly und Sèvres geplant, um das vom US-Präsidenten Woodrow Wilson zur Richtschnur der Neuordnung gemachte „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ praktisch umzusetzen. Zwei dieser Volksabstimmungen, in Schleswig und Kärnten, hat der Historiker Peter Thaler (University of Southern Denmark, Odense) in einer vergleichenden Studie erstmals genauer untersucht (Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte, Band 145/-2020). So spielten neben dem nationalen Selbstverständnis wirtschaftliche Erwägungen für den Ausgang der jeweils zeitverschoben für zwei Zonen angesetzten Volksbefragungen eine erhebliche Rolle. So spekulierten die Dänen nach ihrem im Februar 1920 erzielten Sieg in Nordschleswig darauf, daß die Deutschen Flensburgs nach dem Verlust ihres Hinterlands aus „Marginalisierungsangst“ für Dänemark optieren würden. In Kärnten fiel das Ergebnis in der südlichen, ethnisch mehrheitlich slowenischen Zone des Klagenfurter Beckens zugunsten Deutsch-österreichs aus, weil die Slowenen die negativen Folgen einer Aufspaltung des seit dem Mittelalter gewachsenen historischen Landeseinheit und vor allem wirtschaftlichen Interessengemeinschaft fürchteten, die sich im Becken mit seinem Zentrum, der Stadt Klagenfurt gebildet hatte. 


 www.geschichte-s-h.de