© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/20 / 08. Mai 2020

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Prager Bürgermeister von Rußland bedroht

Prag. Der Prager Bezirksbürgermeister des sechsten Bezirks, Ondrej Kolar, ist angesichts von schweren Bedrohungen unter Polizeischutz gestellt worden. Zuvor sah sich die tschechische Polizei auch gezwungen, den Bürgermeister von ?eporyjí, Pavel Novotny, und den Bürgermeister der ganzen Hauptstadt, Zdenek Hrib, zu schützen. Alle drei sind dem Kreml wegen ihrer Gedenkpolitik ein Dorn im Auge. So hat Kolar eine Statue des sowjetischen Kommandanten Ivan Konev von einem Prager Platz entfernen lassen, berichtet die Financial Times (FT). „Es gibt eine polizeibekannte Bedrohung, und diese Bedrohung steht in direktem Zusammenhang mit Rußland“, sagte Bezirksbürgermeister Kolar. Bürgermeister Hrib hatte im Februar die Umbenennung des Platzes, auf dem sich die russische Botschaft befindet, nach dem russischen Oppositionellen Boris Nemzow geleitet. Nemzow wurde 2015 in Moskau erschossen. Hrib sagte, er sei danach verfolgt worden. Sowohl er als auch Kolar weigerten sich, nähere Aussagen zu machen. Laut FT lehnten sie es insbesondere ab, sich zu Behauptungen der tschechischen Zeitschrift Respekt zu äußern, wonach ein Mann vor drei Wochen mit einem russischen Diplomatenpaß und dem starken Gift Rizin in Prag eintraf und von den tschechischen Sicherheitsdiensten als eine Bedrohung für die Bürgermeister identifiziert wurde. Die russische Botschaft dementierte die Anschuldigungen „kategorisch“. Seit Mitte März seien keine russischen Diplomaten mehr in Prag eingetroffen. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, sagte, es sei ein Akt der „groben Provokation seitens einiger Kräfte in der Tschechischen Republik“, die den Beziehungen der Staaten Schaden zufügen wollen. Der stellvertretende tschechische Ministerpräsident Karel Havlí?ek erklärte die Bedrohungen für inakzeptabel und kündigte Gegenmaßnahmen an. Der tschechische Inlandsgeheimdienst BIS warnt seit Jahren vor zunehmenden russischen Geheimdienstaktivitäten im Land. 2019 verkündete er, daß alle drei Spionageagenturen Moskaus in Prag aktiv seien. Hrib sagte, er habe nicht die Absicht, sich einschüchtern zu lassen. Er wolle die Redefreiheit verteidigen. „Auch für andere Bürger.“ (mp)