© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/20 / 15. Mai 2020

Ländersache: Schleswig-Hostein
Politischer Sumpf an der Förde
Ronald Berthold

Ein Ministerpräsident, der seinen Innenminister und Parteifreund öffentlich der Lüge beschuldigt, durchgestochene Akten der Staatsanwaltschaft, ein Rücktritt und viele Fragen. Über der Kieler Förde braut sich ein Unwetter zusammen. Und am Ende könnte Regierungschef Daniel Günther (CDU) klatschnaß im Regen stehen.

Der Reihe nach: Die Staatsanwaltschaft an der Förde hatte das Mobiltelefon eines Polizeigewerkschafters ausgewertet, da sie ihn des Geheimnisverrats beschuldigte. Die Ankläger stießen dabei auf WhatsApp-Chats mit einem Reporter der Kieler Nachrichten. Außerdem entdeckten sie eine Kommunikation des Journalisten mit Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU), die der Reporter offenbar an den Polizisten weitergeleitet hatte.

Die Staatsanwaltschaft informierte darüber einen kleinen Kreis von Regierungspolitikern, darunter Ministerpräsident Günther. Der verbreitete die Erkenntnisse allerdings umgehend unter Parlamentariern – ein Vorgehen, auf das Abgeordnete normalerweise monatelang warten müssen. Um die Unschuldsvermutung nicht zu verletzen, sollen solche Berichte nicht breit gestreut werden. Die Opposition wirft nun die Frage auf, ob der Regierungschef den Kreis der Mitwisser so stark vergrößert hat, um zu verschleiern, wer letztlich die nur für den Dienstgebrauch bestimmten Akten an die Presse weitergereicht hat.

Ausgerechnet im Zusammenhang mit mutmaßlichem Geheimnisverrat hat nun irgend jemand ebenfalls geheime Unterlagen, nämlich Details aus staatsanwaltlichen Ermittlungen, der Öffentlichkeit verraten. Der Teufel wird mit dem Beelzebub ausgetrieben. Könnte dieser Jemand der Ministerpräsident gewesen sein?

Unausgesprochen steht diese Anschuldigung im Raum. Denn vordergründig nutzt diese Indiskretion nur ihm, der damit den Rauswurf seines Innenministers gut begründen konnte. Prompt titelte der Günther-freundliche Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag auf seiner Internetseite shz.de: „Hans-Joachim Grote abhängig von Reporter und Gewerkschafter“. Der mediale Feuerschutz war da.

Der Ministerpräsident hatte seinen Parteifreund Grote im Innenausschuß des Landtags der „Lüge“ beschuldigt. Die an die Presse durchgestochenen Chatprotokolle schienen das zu untermauern, hatte Grote gegenüber Günther einen intensiven Kontakt mit dem Polizeireporter doch bestritten. Besonders delikat an der Sache ist, daß die veröffentlichten Chats des geschaßten Innenministers eben die Kommunikation mit einem Journalisten betreffen. Denn Pressefreiheit und Informantenschutz sind ein besonders hohes Gut. Plötzlich hat sich der Wind gedreht. Die steife Brise bläst nun Günther ins Gesicht.

Oppositionsführer Ralf Stegner (SPD) stellt sich an die Seite des massiv blamierten Grote. Seine Partei moniert, die „verletzende und geradezu vernichtende“ Kritik an dem ehemaligen Innenminister sei beispiellos. Zumal man gegen Grote genau die Methoden anwendet, die ihm Günther vorhielt. Ob jedoch jemals juristisch geklärt wird, wer den Chat des Ex-Ministers an die Presse verraten hat, dürfte zweifelhaft sein. Dafür hat der Ministerpräsident zuvor zu viele Politiker eingeweiht.