© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/20 / 15. Mai 2020

Volle Drohnung
Bundeswehr: Vertreter aller Fraktionen diskutierten im Verteidigungsministerium über bewaffnete unbemannte Flugzeuge / Gesellschaftliche Debatte geplant
Peter Möller

Die Soldaten wollen sie. Würde die Frage, ob Deutschland seine Streitkräfte mit bewaffneten Drohnen ausrüsten sollte, den Bundeswehrangehörigen zur Abstimmung vorgelegt, wäre das Ergebnis vermutlich eindeutig. Zu zahlreich sind die Berichte aus den Einsatzländern wie Afghanistan oder Mali, in denen die Soldaten von dem guten Gefühl berichten, wenn sie während eines Einsatzes außerhalb der Feldlager wissen, daß über ihnen eine (unbewaffnete) Drohne kreist und das Geschehen rund um die Bundeswehreinheiten am Boden aus der Vogelperspektive im Blick hat. 

Von dort oben können verdächtige Personen oder Fahrzeuge, die sich den eigenen Soldaten nähern, besser und vor allem früher gemeldet werden und deren Position weitergegeben werden. Und von dort aus könnten gegnerische Kämpfer frühzeitig und effektiv bekämpft werden, ohne deutsche Soldaten dabei in Gefahr zu bringen – wenn die Drohnen bewaffnet wären. 

Doch mit der Entscheidung, neben den bereits seit Jahren im Einsatz befindlichen unbemannten Aufklärungsfliegern auch mit Raketen bewaffnete Exemplare zu beschaffen, tun sich die verantwortlichen Politiker schwer. Seit Jahren schon wird die längst fällige Entscheidung aufgeschoben, stattdessen haben sich Union und SPD im Koalitionsvertrag auf eine ausgiebige Debatte über das Thema geeinigt, um, so die Begründung, einen möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens zu erzielen. Kritiker monieren dagegen, durch immer neue Debatten werde davon abgelenkt, daß die Groko in dieser Frage keine Einigung erzielen kann.

Am Montag hatte der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Peter Tauber (CDU), Experten, Vertreter der sogenannten Zivilgesellschaft und Mitglieder aller Bundestagsfraktionen eingeladen, um die ethischen und rechtlichen Dimensionen des Einsatzes bewaffneter Drohnen zu diskutieren. Die Haltung der militärischen Führung ist dabei klar: Generalinspekteur Eberhard Zorn fordert eine Bewaffnung von Bundeswehr-Drohnen. Schon jetzt ist vorgesehen, die derzeit im Einsatz befindlichen Aufklärungsdrohnen des Typs Heron 1 ab 2021 durch die moderneren und „bewaffnungsfähigen“ Heron TP zu ersetzen.

Die Frage sei nicht, ob         Drohnen an sich „böse“ sind

Unterstützung erhalten die Streitkräfte dabei vor allem aus der Union, der AfD und der FDP. „Die Bewaffnung ist nach meiner festen Auffassung ethisch, völkerrechtlich und politisch geboten“, sagte etwa der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Henning Otte (CDU). Allen politischen Entscheidungsträgern müsse deutlich gemacht werden, „daß wir unseren Soldaten die Schutzmöglichkeit einer bewaffneten Drohne nicht länger vorenthalten dürfen.“ Ähnlich äußerte sich der Verteidigungsexperte der AfD-Fraktion, Rüdiger Lucassen. 

Der Einsatz bewaffneter Drohnen habe auch eine Abschreckungswirkung auf mögliche Angreifer. Die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, sagte, die Bundestagsabgeordneten hätten die Verpflichtung, für den größtmöglichen Schutz von Soldaten zu sorgen. „Deswegen kann es nur heißen: Wir brauchen die Drohnen, und zwar bewaffnet“, sagte sie.

Ein Streitpunkt, der die deutsche Debatte wie ein roter Faden durchzieht, kam auch in der Diskussion am Montag zur Sprache: Der Einsatz von Drohnen zur gezielten Tötung von Terroristen, durch die Vereinigten Staaten oder auch Israel. Die Ablehnung dieses Waffensystems durch Linkspartei, Grüne und Teile der SPD speiste sich vor allem aus diesem Aspekt.

So verwies Tobias Pflüger von der Linkspartei auf den Einsatz bewaffneter Drohnen für gezielte Tötungen und warnte davor, daß damit die „Schwelle zu einer anderen Form der Kriegsführungen“ überschritten werde. „Wir wollen nicht, daß es bewaffnete Drohnen bei der Bundeswehr gibt“, bekräftigte er. Für die Grünen lehnte die Bundestagsabgeordnete Katja Keul ihren Einsatz ebenfalls ab. Diese seien entwickelt worden, um völkerrechtswidrig zu töten. „Ich sehe kein Einsatzszenario im Moment, wo die Bundeswehr auf dieses Waffensystem angewiesen wäre“, sagte sie.

Der SPD-Verteidigungspolitiker Fritz Felgentreu versuchte zwischen beiden Positionen, die sich auch in seiner Partei wiederfinden, zu vermitteln. Auch er lehnte den Einsatz von Drohnen zur gezielten Tötung im Anti-Terror-Kampf ab, wollte daraus aber keinen generellen Verzicht auf die Ausrüstung der Bundeswehr mit Drohnen ableiten. „Der entscheidende Punkt ist, wofür sollen bewaffnete Drohnen in der Bundeswehr dienen“, sagte Felgentreu. Dafür müsse es klare Regeln geben. „Die entscheidende Frage ist nicht, sind Drohnen böse oder nicht“, sagte er.