© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/20 / 15. Mai 2020

Dem Börsenjahr stehen etliche turbulente Monate bevor
Gewinner und Verlierer
Thomas Kirchner

Crashpropheten und Permaoptimisten streiten, ob eine schwere Depression droht oder sich nach Ende des Shutdowns eine schnelle Wiederbelebung einstellt. Die Börse gibt bisher den Optimisten recht: Der Dax hat die Hälfte des Absturzes wieder wettgemacht, der US-Index S&P 500 sogar 62 Prozent. Vier der 30 Dax-Werte sind positiv und etwa 100 der 500 im S&P. Im Dax erlitten Auto- und Industriewerte schwere Verluste, im S&P waren Reise- und Finanztitel die Leidtragenden. Die Gewinner waren Börsen und Pharmawerte, in den USA auch die großen Technologiefirmen, die sich im Gegensatz zu SAP nach anfänglichen Kursverlusten schnell erholen konnten. Apple, Amazon, Facebook, Google und Microsoft legten so sehr zu, daß sie jetzt 20 Prozent des Gesamtwerts des S&P 500 darstellen. Massive Käufe der Schweizerischen Nationalbank (JF 20/20) haben zweifelsohne dabei geholfen.

Auch kleinere Technologiewerte zählen zu den Gewinnern, besonders, wenn sie Homeoffice-Arbeit unterstützen: Citrix, Ringcentral und Zoom verbuchen mit Software für Rechnerzugang und Videokonferenzen Rekordeinnahmen. Zoom-Gründer Eric Yuan wurde – trotz Hacker-Vorwürfen – um vier Milliarden Dollar reicher, weil sich die Aktie verdoppelt hat. DocuSign und Adobe erlauben das elektronische Unterzeichnen von Dokumenten. In der Pharmabranche sind Gilead, Fresenius und Merck die größten Gewinner. Gileads Aktienkurs hat in diesem Jahr 69 Prozent zugelegt, weil Anleger auf das Mittel Remdesivir hoffen, das in den USA zur Covid-19-Behandlung zugelassen wurde. Allerdings ist völlig unklar, wieviel die kalifornische Biotech-Firma daran verdienen wird. 1,5 Millionen Anwendungen sollen gespendet werden, wie Preise und Kosten aussehen, steht in den Sternen. Analysten schätzen in optimistischen Szenarios, daß Remdesivir nur fünf Prozent des Börsenkurses an Wert beisteuern wird.

Bergbauaktien spiegeln die Kurse der jeweiligen Rohstoffe wider: Newmont, der einzige Goldförderer im S&P, legte in diesem Jahr fast 50 Prozent zu, während Ölproduzenten im Schnitt ungefähr gleichhohe Einbußen hatten. Energieversorger wie RWE oder Eon sind mit nur geringen Verlusten überraschend stabil geblieben. Im Gegensatz zu den meisten US-Immobilienaktien ist Vonovia im Dax positiv.

Weil Verbraucher die Desinfektionsmittel-Regale leergekauft haben, konnte Clorox aus Oakland ein Umsatzplus von 40 Prozent verbuchen. Aktionäre freuten sich über einen Kursgewinn von einem Drittel seit Jahresanfang. Die tatsächliche Nachfrage nach Desinfektionsmitteln liegt aber noch höher, denn erst im Sommer wird die Produktion ausgebaut sein. Dem Börsenjahr stehen noch etliche turbulente Monate bevor. Die Rangordnung der Gewinner und Verlierer dürfte noch überraschende Wendungen nehmen.