© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/20 / 15. Mai 2020

Dumme Witze, schrille Pointen
Satire: Der österreichischen Kabarettistin Lisa Eckhart wird Antisemitismus vorgeworfen
Matthias Matussek

Erneut große Aufregung über eine Satire, die übers Ziel hinausgeschossen ist. Erneut hat der WDR die Granate in den öffentlichen Raum geschmissen. Diesmal ging es nicht um unsere Omas, die völlig humorlos, aber politisch nach Ansicht der Macher offenbar total korrekt als Umweltsäue beschimpft wurden, sondern, schwerwiegender, um Juden, die als geldgierig und unzüchtig dargestellt wurden, womit antisemitische Klischees bedient worden seien.

Ein altes Programm der „Mitternachtsspitzen“ von 2018 war erneut 2019 zur „MeToo“-Debatte in den sozialen Medien in Umlauf gebracht worden, darin ein Auftritt der österreichischen Kabarrettistin Lisa Eckhart, die sich in ihrem Programm über die Proteste gegen Harvey Weinstein und Woody Allen lustig machte. „Es ist ja wohl nur gut und recht, wenn wir den Juden jetzt gestatten, ein paar Frauen auszugreifen. Mit Geld ist ja nichts gutzumachen.“ Im übrigen komme jetzt plötzlich raus, es gehe den Juden „wirklich nicht ums Geld … Denen geht’s um die Weiber und deswegen brauchen sie das Geld.“

Nun hat sich der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, der offenbar viel auf dem Schreibtisch hatte, endlich mit diesem Skandalon beschäftigen beziehungsweise einen konstruieren können, indem er befand, daß die Kabarettistin ihre Pointen bewußt „auf der Basis von Antisemitismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit“ setze. Puh!

Heilige Dreifaltigkeit der Empörungsindustrie

Sie treten wirklich immer zu dritt auf, Antisemitismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit, wahrscheinlich für all diejenigen, die Antisemitismus nicht für rassistisch halten, oder die anderen, die Rassismus für menschenfreundlich halten, oder die Rassisten, die keine Antisemiten sind. Die ganz große Matte also, die alles abdeckt – auch das eine durchaus kabarrettreife Unternehmung. Man könnte sie für die heilige Dreifaltigkeit der Empörungsindustrie halten, ein einziger Verstoß in drei Gestalten, der die Jüdische Allgemeine Zeitung (nicht unbedingt die jüdische Gemeinde!) empörte.

Ich kenne Juden, die es für viel antisemitischer halten, wenn sie von  muslimischen Halbstarken, meist in Rudelstärke, vermöbelt werden, oder wenn sie in Nachrichtensendungen über Demonstrationen in Sichtweite des Kanzleramts unterrichtet werden, auf denen linksgrüne und islamistische Krakeeler gemeinsam „Juden ins Gas“ fordern. Oder wenn das deutsche Staatsoberhaupt Kränze an den Gräbern von Hamas- oder PLO-Granden ablegt, die ihre Eide auf die Vernichtung Israels geschworen haben. Oder wenn Jagden auf jüdische Kinder an Neuköllner Schulen veranstaltet werden und der Staat solche Fälle von Antisemitismus keinen ominösen Rechten in die Schuhe schieben kann, sondern so etwas, im Rahmen seiner selektiven Menschenfreundlichkeit den Angehörigen des muslimischen Glaubens gegenüber, dessen historischer Bestandteil nun mal der Judenhaß ist, achselzuckend in Kauf nimmt.

Was nun Lisa Eckharts menschenfeindliches Kabarett angeht: die einzige Gefahr sehe ich darin, daß sich die Österreicherin mit ihren gewichtigen Pointen so verhebt, daß ihre spindeldürren Ärmchen brechen wie Streichhölzer. Mir geht die Dame auf den Keks, wie im übrigen alle kapriziösen Frauen, das wird man ja wohl noch – Achtung: Satire – sagen können. Ihre Ärmchen übrigens laufen aus in schmalsten Händen und Fingern, und diese wiederum in langen Kunstfingernägeln, die der ganzen Erscheinung etwas Kreuzspinnenhaftes geben. Darüber hinaus sind ihre Pointen nicht punktgenau, sondern schrill. Die gehören eher ins Soubrettenfach. Sie sind so ausgeklöppelt kunstgewerblich, als hätte sich Andre Heller verpflichtet, einem (echt witzigen und sympathischen) Proleten wie Ingo Appelt zuzuarbeiten. Also schief gewickeltes Material, nicht zu ertragen. Zu literarisch.

Im übrigen ist die zur Debatte stehende Pointe der Eckhart ungenau. Denn es war nicht das Geld, mit dem der Jude Weinstein seine Opfer zu beeindrucken suchte, sondern seine Macht, über Karrieren zu entscheiden. Und bei Woody Allen erst recht nicht. Um Mia Farrow zu erobern, die zuvor mit ihren jugendlichen 21 Jahren Frank Sinatra erobert hatte, bedurfte es jener Stärken, die Allen und seine Filme auszeichneten: eben nicht unbedingt das Aussehen, sondern Intelligenz, Kreativität, skurriler Witz, dem schon Diane Keaton erlag.

Was allerdings für die Kabarettistin Eckhart spricht, ist ihre grandiose Verachtung für den Genderquatsch und den Feminismus und alles politisch Korrekte. Doch damit kann sogar Proll-Comedian Ingo Appelt bisweilen punkten, obwohl er SPD-Mitglied ist – jeder hat blinde Flecken in seiner Biographie.

Aber nun wieder diese langweiligen Diskussionen über die Grenzen der Satire? Nö! Spätestens seit unappetitliche Figuren wie Böhmermann mit seinem Erdowahn-Ziegenficker-Klingelstreich Schlagzeile und Magazin-Titel über „Satire darf alles“ generierte (und sich dann erst mal bibbernd wie Espenlaub verkroch), aber besonders seit seinen eifrigen Denunziationen sind solche Debatten obsolet.

Lisa Eckhart hat vielleicht ein paar dumme Witze, in goldenes Wiener Konditoren-Stanniol gewickelt, unter die Leute geschmissen, mehr nicht. Ausnahmsweise nichts, wofür der WDR oder sie sich zu entschuldigen hätte – da gibt es andere Verfehlungen wie Georg Restle mit seinem Politmagazin „Monitor“, das eingestandenermaßen auf Neutralität verzichtet und mit „Haltung“ gegen Rechts stürmt. 

Das nimmt, wenn es sein muß, auch „Menschenfeindlichkeit“ in Kauf und sollte dem Antisemitismusbeauftragten frische Arbeit genug verschaffen, so daß er nicht in jahrealten Heulern herumbuddeln muß.