© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/20 / 15. Mai 2020

Deutschlands liebster Dampfplauderer
Unterhaltungsfernsehen: Der Moderator Thomas Gottschalk feiert seinen 70. Geburtstag
Harald Melzer

Mit seinen Kritikern hat Thomas Gottschalk bis heute nicht Frieden geschlossen. In seiner zum 65. Geburtstag veröffentlichten Autobiographie schreibt er: „Ich wurde für so ziemlich alles beschimpft: für meine Art mich zu kleiden, für meinen Umgang mit Frauen, für meinen schlechten Interviewstil, für meine Schnodderigkeit, für meine mangelhafte Vorbereitung.“ All das interessiert aber heute keinen mehr, und das ZDF feiert mit ihm in seinen 70. Geburtstag am 18. Mai hinein.

Ein Lehrer monierte „gedankliche Leere“

Als Sohn vertriebener Oberschlesier in Bamberg geboren und in Kulmbach aufgewachsen, wurde aus der Halbwaise, sein Vater starb, als Gottschalk 14 Jahre alt war, der bekannteste Showmaster des deutschsprachigen Raums. Von Südtirol bis Rügen hat er die Menschen vor dem Fernseher versammelt. Dabei wünschte sich seine Mutter Rutila, mit der er bis zu ihrem Tod 2004 ein enges Verhältnis pflegte, eher die Lehrerlaufbahn. Also studierte er Germanistik und Geschichte auf Grund- und Hauptschullehramt. Wie sein früh verstorbener Vater wurde er Mitglied in einer katholischen Studentenverbindung (KdStV Tuiskonia im CV) und damit auch Bundesbruder von Franz Josef Strauß.

Allerdings zog ihn das Radio mehr in seinen Bann als die Aussicht zu unterrichten. Wie er selber immer wieder betont, sei es in seiner Autobiographie „Herbstblond“ oder auch in den zahlreichen Interviews anläßlich des Jubiläums: „Ich bediente mich überall, wo es was zu holen gab, verstand mich als Dienstleister und wollte nicht dafür geliebt werden, daß ich etwas wußte, sondern daß ich mein Publikum glücklich machte. Das war und ist noch heute mein Verständnis von Unterhaltung, und als Unterhalter habe ich mich immer gesehen.“

1972 startet die Karriere des langgewachsenen Blondschopfs beim Bayerischen Rundfunk. Nach ersten Stationen beim Jugendfunk landet der heimatverbundene Oberfranke beim gerade neu gegründeten Verkehrssender Bayern 3. Dort gelingt es ihm, als junger Moderator mit frechen Sprüchen die Hörer zu fesseln. Mag er auch heute Millionär sein, durch sein loses Mundwerk und extravagante Kleidung glänzen, so muß der Pubertierende nach dem Tod seines Vaters erleben, wie Kleidung für ihn, seinen Bruder und seine Schwester aus der Altkleidersammlung kam. Und auch in der Schule hat Gottschalk nicht überzeugt. Sein Deutschlehrer schrieb: „Sie verstehen es meisterhaft, eine weitgehende gedankliche Leere durch sprachlich hohes Niveau zu überdecken.“ Dieser Satz brachte ihn laut seiner Autobiographie auf die Idee für sein späteres Berufsmodell und ein Konzept, das ihm schließlich ein extravagantes Leben und Haus in Malibu ermöglichte.

Immerhin trägt diese gedankliche Leere ihn durch fast fünfzig überwiegend erfolgreiche Berufsjahre. Wie viele seiner Kollegen landet er über das Radio auch beim Fernsehen, das in den achtziger Jahren bei ihm anklopft. Die TV-Laufbahn beginnt mit den Telespielen. Zwei Menschen bewegen durch lautes Rufen wie beim Tennis Bälle auf einem Bildschirm aufeinander, dazwischen ein mehr oder minder lockerer Moderator.

1982 gelingt Gottschalk der Sprung ins Vorabendprogramm am Samstagabend. Er moderiert „Na Sowas“: Prominente, die etwas zu promoten haben, Normalos, die etwas Besonderes können. Legendär der Auftritt des offensichtlich angetrunkenen Klaus Kinski in einem fiesen roten Lederblouson, der keine Lust auf die Beantwortung der Fragen von Gottschalk hat.

1987 erfolgt der Ritterschlag. Frank Elstner, Erfinder von „Wetten, dass..?“ und TV-Legende der Zeit der zwei Fernsehprogramme, beruft Gottschalk zu seinem Nachfolger als Moderator der großen Samstagabendshow. Statt Elstner mit dem Outfit eines leitenden Versicherungsangestellten kommt nun der bunte Paradiesvogel Gottschalk mehrfach im Jahr in die deutschen Wohnzimmer und mit ihm immer mehr internationale Stars.

Aber auch Glückskinder wie Gottschalk probieren gern etwas Neues aus. Und scheitern: Anfang der Neunziger, Helmut Kohl ist nach wie vor Kanzler, Hannelore sitzt bei Gottschalk auf dem Wettsofa, will er bei RTL die erste Late-Night-Show im deutschen Fernsehen starten. Er empfängt Ufa-Legende Heinz Rühmann oder Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki zusammen mit Pornoqueen Teresa Orlowski, und die spätere „Topmodell“-Macherin Heidi Klum macht ihre ersten Schritte auf der Showbühne. Aber Deutschland ist nicht reif für die LateNight und Gottschalk nicht Harald Schmidt. Das erste Mal nach vielen Jahren erlebt Gottschalk eine Pleite. Er läßt seinen Nachfolger bei „Wetten dass..?“, den DDR-Entertainer Wolfgang Lippert, entfernen und kehrt zurück; Fernsehdeutschland ist wieder mit sich im reinen.

Deutliche Kritik an den heutigen Medien

Aber die neuen Medien tauchen am Horizont auf, die Republik verändert sich. Die Quoten gehen runter, und seine Sendungen werden auf Twitter live kommentiert. Nach dem tragischen Unfall von Samuel Koch ist für Gottschalk klar, daß die Zeit mit „Wetten dass..?“ zu Ende ist. 2011 hört er mit der Sendung auf. Anschließend versucht er sich im Vorabendprogramm der ARD, moderiert verschiedene Formate bei den Privatsendern, aber er kann nicht mehr an die großen Erfolge anknüpfen. Er nutzt die Zeit und schreibt seine Autobiographie „Herbstblond“, mit der er es auf sämtliche Bestsellerlisten schafft. Sein langjähriger Werbevertrag mit Haribo läuft nach dem Tod des Firmenpatriarchen aus, dafür macht Gottschalk heute Werbung für Hörgeräte.

Bei aller Kritik, die der gebürtige Franke auf sich zog und zieht, sei es durch seine lockeren Reden, seinen Wohnsitz in den USA oder seine Klage, die heutige Gesellschaft nicht mehr zu verstehen –  98 Prozent der Deutschen kennen und schätzen ihn immer noch. Er formuliert sehr deutlich seine Kritik an den heutigen Medien: „Für mich war die Aufgabe der Medien in Print und Bild immer die Erklärung der Wirklichkeit; meinen Reim wollte ich mir allerdings schon selber darauf machen. Heute werde ich mit Meinungen, Vermutungen, Verdächtigungen und Vorwürfen gegen alles und jeden zugeballert. Journalisten beschreiben den Lauf der Dinge kaum noch, sondern sie bejammern ihn.“ 

Am kommenden Montag feiert Thomas Gottschalk seinen 70. Geburtstag.

Das ZDF feiert mit einer Live-Show und Überraschungsgästen  am 17. Mai ab 22.15 Uhr in Thomas Gottschalks 70. Geburtstag hinein.

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