© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/20 / 15. Mai 2020

Tausendmal Srebrenica
Massaker von Bleiburg 1945: Tito-Partisanen richten unter deutschen, kroatischen und slowenischen Soldaten und Zivilisten ein Blutbad an
Matthias Bäkermann

Im heutigen Slowenien sind in etwa der Hälfte aller Gemeinden Massengräber aus der unmittelbaren Zeit nach Kriegsende nachgewiesen. An den über 600 Orten sind über 100.000 Opfer unterschiedlicher Nationalität verscharrt. In Kroatien und Bosnien konnten bis 2010 rund 840 beziehungsweise 90 Massengräber nachgewiesen werden. Für Jože Dežman, Direktor des Museums für neuere Geschichte in Laibach (Ljubljana), sind diese kommunistischen Nachkriegsmassaker das größte Verbrechen seit dem Kapitulationsdatum am 8. Mai 1945 in ganz Europa. „Allein im Panzergraben von Marburg an der Drau (Maribor) liegen mehr als doppelt so viele Menschen wie in Srebrenica begraben.“ 

Ihren Ausgangspunkt nahm das Massenverbrechen jugoslawischer Tito-Partisanen im Mai 1945 in Österreich, genauer in Sammellagern wie in Bleiburg und Viktring in Kärnten. Wie konnte es dazu kommen?

Keiner wollte in die Fänge der Tito-Partisanen geraten

Bereits im April 1943 einigten sich die Alliierten in der Moskauer Deklaration darauf, den Zustand Österreichs vor dem „Anschluß“ an das Deutsche Reich 1938 wiederherzustellen und es nach dem Sieg in Besatzungszonen aufzuteilen. Der Kriegsverlauf 1945 hatte dann zur Folge, daß der von der Roten Armee eroberte östliche Teil (Niederösterreich und das Burgenland) auch sowjetische Zone wurde. Salzburg und der größte Teil Oberösterreichs wurden US-Besatzungszone, benachbart zum durch die US-Armee bis Mai 1945 besetzten Bayern. Für Wien einigte man sich – ähnlich wie in Berlin – auf einen Viermächtestatus. 

Die „kleinen“ Alliierten bekamen den Süden und Westen Österreichs zugeteilt, der jedoch am 8. Mai meist noch unter deutscher Kontrolle stand. Im Falle Vorarlbergs und Tirols, die von nur schwachen französischen Verbänden okkupiert wurden, war das nicht von großer Bedeutung. Ganz anders sah die Situation in der britischen Besatzungszone (Osttirol, Kärnten und Steiermark) aus. Dort tummelten sich weit über eine Million Soldaten und Flüchtlinge. Neben der deutschen Heeresgruppe E mit sieben deutschen Divisionen und zwei Kosaken-Divisionen, die sich seit April über Zagreb vom Balkan zurückzogen, flüchteten ebenso viele Einheiten der kroatischen Ustascha, slowenischer Heimwehr (Domobranzen) und serbischer Tschetniks. Ihnen war klar, daß nun die Abrechnung der Kommunisten folgen würde. Sei es, wie bei der faschistischen Ustascha, wegen selbst begangener Kriegsverbrechen auf dem Balkan, oder einfach wegen noch offener Rechnungen aus der jugoslawischen Zeit vor 1941. 

Am Tag der Kapitulation am 8. Mai hatte sich dieses gewaltige Heer zum größten Teil bis nördlich der Karawanken zurückziehen können. Allerdings gelang es den nach Norden nachdringenden Kräften von Titos „Volksbefreiungsarmee“, zahlreiche Soldaten gefangenzunehmen. Auch viele Zivilisten, vor allem flüchtende Volksdeutsche aus Slawonien und Gottscheer, die während des Krieges in die dem Reich angegliederte Untersteiermark umgesiedelt wurden, gerieten in die tödlichen Fänge von Titos Partisanen. 

Auf österreichischem Gebiet konnten die Hunderttausenden Deutschen, Kroaten und Slowenen allerdings nicht auf die Obhut der Briten zählen. Die durch Krieg und Besetzung in Deutschland nahezu ausgepowerte Besatzungsmacht mußte erst Einheiten ihrer 8. Armee aus Italien heranbringen. Von Westen rückten sie schließlich mit nur wenigen tausend Mann bis zum 12. Mai 1945 in Richtung Steiermark vor. Die Kosaken in Osttirol und die Wehrmachtseinheiten samt ihrer Verbündeten in Kärnten ließen sich bereitwillig von der Königlichen Armee entwaffnen, eine ernstzunehmende Streitmacht stellten die Briten jedoch kaum dar. Mit großer Übermacht drangen deshalb Titos Truppen über die Grenze vor und versuchten ihrerseits, die feindlichen Truppen zu entwaffnen. Dabei kam es dort bis zum 15. Mai immer wieder zu Gefechten mit kroatischen Soldaten und slowenischen Domobranzen. 

Als britische Spitfire-Flugzeuge eingriffen und englische Einheiten in Kärnten vorrückten, wurden die Slowenen bei Viktring und Wehrmachtssoldaten bzw. in großer Zahl kroatische Ustascha-Einheiten und königstreue serbische Tschetniks bei Bleiburg festgesetzt. Eine Delegation der Partisanen unter Oberstleutnant Milan Basta forderte vom Kommandeur der 38. Irischen Infanteriebrigade, Oberst Thomas Scott, die Übergabe der Gefangenen. Die Briten waren ihrem alten Alliierten vom Balkan grundsätzlich zugetan, allerdings machten sich Zweifel breit, da die einsetzenden mörderischen Übergriffe von Titos Schergen auf die Gefangenen zu offenkundig waren. Nachdem Basta zusicherte, sowohl die Gefangenen „menschlich und anständig“ zu behandeln und sich zudem alle jugoslawischen Truppen aus Österreich zurückziehen würden, stimmte Scott diesem Handel zu.

Doch Bastas Truppen wurden wortbrüchig. Bereits beim Abtransport der Gefangenen nach Süden kam es immer wieder zu Folterungen und Massenhinrichtungen. Titos Soldaten ermordeten vor allem am Bleiburger Feld Abertausende. Erst nachdem eine Woche später die Sowjets auf Drängen der Briten intervenierten, zogen sich Titos Truppen aus Kärnten zurück. Für Hunderttausende ihrer Gefangenen endete der Zug nach Süden in den Massengräbern oder in Karsthöhlen, wo Tausende zu Tode gestürzt wurden. 

Auch deutsche Kriegsgefangene wurden reihenweise ermordet. Noch in Österreich, einem Steinbruch im Rosengarten südlich von Klagenfurt, kam es zu einem Massaker. Der überlebende volksdeutsche Soldat Julius Schmör schildert, wie lauter Wehrmachts- und SS-Soldaten mit LKW herangebracht wurden: „Als am Abend der Steinbruch mit Menschen vollgestopft war, sperrte man den Eingang mit Stacheldraht und Maschinengewehren. Vom oberen Rand des Steinbruchs und vom Eingang aus wurden die Soldaten so lange mit Handgranaten beworfen und mit MG beschossen, bis alle tot waren.“