© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/20 / 22. Mai 2020

Ländersache: Mecklenburg-Vorpommern
Aus Liebe zum Büro
Christian Vollradt

Manch ein Dementi ist verräterisch. Etwa wenn es so übertrieben klingt, daß es mehr zu bestätigen scheint, was es zu dementieren vorgibt. Wie vergangene Woche, als Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) und Innenminister Lorenz Caffier (CDU) dem Nordkurier in einer gemeinsamen Stellungnahme versicherten, sie würden sich, „sobald das Distanzgebot gelockert wird“, wieder „in den Armen liegen“. Gelegentliche Reibung, zitiert sie die Zeitung, habe „allenfalls den Zweck, die Wärme in der Koalition nicht abflauen zu lassen“. Mit dieser Liebeserklärung auf Gegenseitigkeit versuchten die beiden dienstältesten Minister der Schweriner rot-schwarzen Koalition das zu entkräften, was zuvor über ihren großen Krach berichtet worden war. Da habe nämlich der eine – Backhaus – dem anderen – Caffier – auf dem Landtagsflur hinterhergebrüllt, er könne schon mal anfangen, sein Büro zu räumen. 

Der Anlaß des verbalen Ausfalls war eine Wahl, oder besser: eine Nicht-Wahl. Denn am Mittwoch vergangener Woche war die Kandidatin der Linkspartei, Barbara Borchardt, im ersten Anlauf als Richterin am – nichtständigen – Verfassungsgericht des Landes durchgefallen, weil sie nicht die notwendige Mehrheit von zwei Dritteln der Abgeordneten erhalten hatte. Daraufhin unterbrach man für drei Stunden die Sitzung. Die SPD warf der CDU vor, sich nicht an Absprachen gehalten zu haben. Tatsächlich hatten offenbarl mehrere Parlamentarier aus deren Reihen wohl Gewissensbisse, eine Frau zur Verfassungshüterin zu wählen, die man einst wegen ihrer Mitgliedschaft in der vom Verfassungsschutz als linksextrem eingestuften Organisation Antikapitalistische Linke zum Rücktritt aufgefordert hatte. Und die – nebenbei – mit ihrer Weigerung, sich bei einer Gedenkminute zum 50. Jahrestag des Mauerbaus zu Ehren der Opfer zu erheben, für einen Eklat im Landtag gesorgt hatte.

Da in der SPD sowieso mit einem Wechsel des Koalitionspartners von Schwarz zu Dunkelrot geliebäugelt wird, war die Drohung mit einem Aus der Regierungspartnerschaft naheliegend. Und als eine solche konnte man den Ausruf des Agrar- in Richtung des Innenministers durchaus deutlich verstehen. Irgendwie rauften sich die Kontrahenten dann aber doch wieder zusammen und vereinbarten einen neuen Wahlgang – mit derselben Kandidatin. Daß die zu DDR-Zeiten diplomierte Juristin, seit 1976 SED-Mitlgied, wenig berufliche Erfahrung in der bundesdeutschen Jurisprudenz hat, spielte keine Rolle. 

Schließlich klappte dann auch im zweiten Anlauf der Einzug in den Greifswalder Landesjustiz-Olymp: Borchardt bekam 50 Jastimmen – zwölf mehr als noch am Mittwoch. 18 Abgeordnete votierten gegen sie, einer enthielt sich. Der AfD-Landesvorsitzende Leif-Erik Holm sprach mit Blick auf Borchardts Wahl von einem „Tiefpunkt in der Geschichte unseres Landes“. Am Ende aber konnten die beiden Minister-Kumpel versöhnlich die Harmonie in der Koalition verkünden. Die CDU hatte ihren „Fehler“ offenbar korrigiert, das Zerwürfnis sei keines gewesen, sondern nur harmlose Frotzelei, teilten Backhaus und Caffier mit. Linksextremismus hin, Verfassung her – Hauptsache das Büro bleibt.