© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/20 / 22. Mai 2020

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Denn wenn et Trömmelche jeht
Paul Rosen

Der Bundestag ist nicht nur ein Parlament, sondern zugleich eine Behörde. Mit rund 3.000 Beschäftigten sogar eine sehr große. Geleitet wird sie vom „Direktor beim Deutschen Bundestag“. Daß der nicht „Direktor des Bundestages“ heißt, ist kein Zufall. Man wollte Verwechslungen mit dem Präsidenten des Bundestages vermeiden. 

Da der bisherige Direktor Horst Risse in den Ruhestand geht, suchte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) einen Nachfolger. Der Posten ist begehrt: Der Direktor verdient mit 14.000 Euro soviel wie ein Staatssekretär und darf im Plenarsaal hinter dem Präsidenten Platz nehmen.

Wer als Bewerber zum Zug kommen will, muß die Ellenbogen einsetzen. Gewonnen hat Lorenz Müller. Der 57jährige Jurist leitete früher Schäubles Büro und war Chef der Presse und Kommunikation im Bundestag. Zuletzt leitete er den Bereich Wissenschaft und Außenbeziehungen, wobei Insidern auffiel, daß Müller sein Büro auf der Präsidial-Etage bei Schäuble im Reichstag hatte, um der Macht besonders nahe zu sein. Entsprechend selten soll er im Wissenschaftsbereich gesehen worden sein, der etwa drei Kilometer vom Reichstag entfernt im ehemaligen Gebäude des Innenministeriums seinen Sitz hat. Schon als Leiter der Pressearbeit habe sich der angehende Direktor den Tag nicht mit Arbeit verdorben, hört man in der Verwaltung. In Müllers Zeit verschlief der Bundestag neue Kommunikationsformen wie Facebook oder Twitter. In den Sozialen Medien sucht man das Parlament vergeblich.

Widerstand gegen den neuen Direktor gab es in der CDU/CSU-Fraktion, wo Schäubles Hinweise auf die Unionsnähe von Müller in Zweifel gezogen wurden. Inoffiziell wird Müller eher dem grün-schwarzen Milieu zugerechnet. Da ein Personalpaket geschnürt worden war, stimmte das Bundestagspräsidium schließlich zu. Müllers Nachfolgerin bei den Wissenschaftlern soll eine Grüne werden, und die Leitung der wichtigen Abteilung P (Parlament und Abgeordnete) wurde einer der CDU zugeneigten Beamtin in Aussicht gestellt. Ob die jedoch jemals den lukrativen Posten (rund 11.500 Euro im Monat) antreten wird, steht inzwischen in Frage. Denn die für ihre Karnevalsbegeisterung bekannte Dame wird für eine große Weiberfastnachtsparty verantwortlich gemacht, die einen Tag nach dem Anschlag von Hanau in den Räumen der Personalabteilung des Bundestages stattfand – obwohl dort auf Druck von Direktor Risse alle sonst traditionell üblichen Feiern abgesagt und Halbmast geflaggt worden war. 

Während am Brandenburger Tor eine Gedenkstunde stattfand, soll unweit im Parlament so heftig gefeiert worden sein, daß später sogar die Polizei einschreiten mußte. Daß diese „wilde Party“ erst drei Monate später in der Presse publik wurde, hat Gründe. Rote und grüne Parteigänger in der Verwaltung sollen die Nachricht jetzt plaziert haben, um die Beförderung der „jecken Beamtin“ (so der Hausspott) zu torpedieren. 

Man wartet jetzt, wie lange wohl die Solidarität der CDU mit dem eigenen Personal hält.