© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/20 / 22. Mai 2020

Neuer Koalitionsstreit um die Grundrente im Bundestag
Ungerechtes Prestigeprojekt
Ulrike Schielke-Ziesing

Hubertus Heil verteidigte sein Prestigeprojekt, Redner von der Union bezweifelten die Finanzierung – die Regierungskoalition stritt am Freitag im Bundestag über die Grundrente. Dabei ist längst offenkundig: Unser Rentensystem ist – dank einer Vielzahl von Reformen – das schlechteste in Europa. Immer mehr Rentner fallen ungebremst in die Armut, trotz lebenslanger Erwerbstätigkeit. Von den heute Beschäftigten wird künftig ein Drittel Grundsicherung beziehen. Das ist nicht nur für die Betroffenen eine Katastrophe, sondern es stürzt das Rentensystem in eine Legitimitätskrise: Wenn derjenige, der ein Leben lang gearbeitet hat, am Ende nicht mehr erhält als derjenige, der nie gearbeitet hat, stellt sich die Frage nach dem Sinn des Ganzen. Der SPD-Arbeitsminister verspricht, die „Fleißigen“ mit Zuschlägen zu belohnen; das allerdings erst ab 33 Beitragsjahren. Wer weniger ansammeln konnte, geht leer aus – eine der vielen Schwachstellen des Konzepts. Das ist nicht zielgenau, sozial ungerecht und weitgehend wirkungslos: Im Schnitt 75 Euro beträgt der monatliche Zahlbetrag, die von Heil exemplarisch genannte fleißige Frisöse mit über 200 Euro Grundrente ist nur die seltene Ausnahme.

Kosten und Nutzen stünden in keinem Verhältnis, warnen zahlreiche Kritiker. Die Deutsche Rentenversicherung moniert nicht nur den bürokratischen Aufwand – die von der Union verlangte umfangreiche Bedarfsprüfung dürfte mehrere 100 Millionen Euro verschlingen. Dafür fehlten die IT und das Personal. Schon vor der Corona-Krise war die Finanzierung völlig offen, denn die dafür erträumte Finanztransaktionssteuer wird es nicht geben, dank der Blockade wichtiger EU-Länder. Verfassungsrechtler sehen schon eine Vielzahl neuer Ungerechtigkeiten und Klagemöglichkeiten.

Dennoch hält die SPD auf Biegen und Brechen an ihrem Konzept fest. Dabei gäbe es durchaus Alternativen: Eine großzügige Freibetragsregelung bei der Anrechnung der Rente auf die Grundsicherung wäre zielgenauer und gerechter – und verfassungsrechtlich unbedenklich. Über die Gründe, warum die Bundesregierung an diesem rentenpolitischen Irrweg festhält, läßt sich nur spekulieren.

Seit über zwei Jahren streiten Union und SPD nun über die Grundrente, fast wäre es zum Bruch der Koalition gekommen. Vielleicht ist es lediglich der – allerdings verständliche – Wunsch des SPD-Ministers, im Wahljahr 2021 wenigstens ein einziges „Erfolgsprojekt“ mit eindeutig sozialpolitischer Handschrift vorweisen zu können. Dann aber wäre es gut, sich dafür ein anderes Vorhaben zu suchen, denn ein echter „Erfolg“ kann Heils Grundrente nicht mehr werden.






Ulrike Schielke-Ziesing ist AfD-Bundestagsabgeordnete, Mitglied im Haushalts- und Sozialausschuß sowie rentenpolitische Sprecherin ihrer Fraktion.