© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/20 / 22. Mai 2020

Die Erhöhung des Rundfunkbeitrags wankt
Gegen die geplante Gebührenanhebung formiert sich Widerstand in der Union und einzelnen Bundesländern
Ronald Berthold

In der CDU/CSU mehrt sich die Kritik an der geplanten Erhöhung des Rundfunkbeitrages um 4,9 Prozent auf 18,36 Euro. Drei Landtage könnten – nimmt man aktuelle Wortmeldungen ernst – sogar ihre Zustimmung verweigern. Die SPD dagegen beharrt auf der „Anpassung“ zum 1. Januar, weil die Öffentlich-Rechtlichen ein Instrument „gegen Verschwörungstheorien und Fake News“ seien. Wird die Anhebung, wie die FAZ meint, tatsächlich „immer unwahrscheinlicher“?

Noch nie war eine auf den Empfehlungen der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) beruhende Beitragserhöhung so umstritten wie diese. Das hat neben der politischen Ausrichtung von ARD, ZDF und Deutschlandfunk auch mit den Folgen des Corona-Shutdowns zu tun. Zumindest nutzen die Kritiker die sich verschlechternde wirtschaftliche Lage von Haushalten und Unternehmen für die Forderung, auf die Aufstockung zu verzichten.

Kritik aus östlichen Landesparlamenten

Zwölf Bundestagsabgeordnete der Union appellieren in einem Brief an die Ministerpräsidenten, die Zustimmung zu kippen. Darunter sind der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion Carsten Linnemann, Fraktionsvize Georg Nüsslein und die CDU-Bundesvize Silvia Breher. Als zum jetzigen Zeitpunkt „nicht vermittelbar“ bezeichnete der mitunterzeichnende parlamentarische Geschäftsführer Stefan Müller (CSU) die Pläne. Auch aus seiner grundsätzlichen Ablehnung macht er keinen Hehl.

Das Schreiben der Parlamentarier spiegelt indes nicht mehr als ein Stimmungsbild wider. Denn letztlich entscheiden die Landtage. In Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen lehnt die CDU die Erhöhung ab. In den drei Ländern gäbe es rechnerisch deutliche Mehrheiten, um die Pläne zu stoppen. Dort stellt jeweils die schärfste Kritikerin der Rundfunkgebühr, die AfD, die zweitstärkste Fraktion. Im Sächsischen Landtag verfügen beide Parteien über 70 Prozent der Mandate. Auch der neue thüringische CDU-Fraktionschef Mario Voigt will nicht mitmachen: „Wir sollten gerade jetzt den Leuten nicht noch tiefer in die Taschen greifen.“ Ähnlich äußert sich die FDP. Gemeinsam mit der AfD stünde erneut eine Mehrheit gegen Rot-Rot-Grün. Die Hemmungen, diese auch zu nutzen, dürften nach den Erfahrungen mit den Reaktionen auf die Wahl Thomas Kemmerichs (FDP) zum Ministerpräsidenten groß sein.

Die Hoffnung der Kritiker ruht daher auf Sachsen-Anhalt. Reiner Haseloff (CDU) hatte sich bereits als einziger Länderchef in der Ministerpräsidentenkonferenz am 12. März bei der Abstimmung über die Erhöhung enthalten. Seine Fraktion war schon vor Corona gegen mehr Geld für ARD, ZDF und Deutschlandfunk. Und neben der AfD lehnt auch die Linke einen höheren Beitrag ab. Zusammen umfaßt diese parlamentarische Querfront 67 der 87 Abgeordneten. Hinzu kommen vier für die AfD gewählte Fraktionslose, die ihre Zustimmung mutmaßlich verweigern.

Alles hängt an der CDU, die in Magdeburg gemeinsam mit SPD und Grünen regiert. Wird sie standhaft bleiben oder letztlich dem vorhersehbaren Druck aus Kanzleramt und Adenauerhaus nachgeben? Was in der Öffentlichkeit los wäre, wenn eine Landtagsfraktion der Merkel-Partei gemeinsam mit der AfD weitere Gelder für die als „systemrelevant“ erklärten Sender ablehnen würde, ist nach Thüringen leicht vorstellbar.

Derzeit gibt sich die CDU ablehnend: „Wenn ein Intendant das doppelte Gehalt des Bundespräsidenten bekommt, fragen uns zu Recht die Bürger, warum“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer Markus Kurze, der FAZ. Und Staatskanzleichef Rainer Robra verlangt „verbindliche Zusagen von allen Anstalten“, daß, wie von der KEF gefordert, bis 2028 eine Milliarde Euro eingespart werden. Eine diesbezügliche Erklärung von ARD, ZDF und Deutschlandfunk sei nicht zufriedenstellend.

Während Teile der Union wackeln, können die Sender weiter auf die SPD setzen. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Marie-Luise Dreyer, die auch Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder ist, lehnt jede Debatte über die Beitragserhöhung ab. Auch sie argumentiert mit den Folgen der Corona-Politik: „Die negative Entwicklung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt werden möglicherweise auch die Beitragseinnahmen negativ beeinflussen.“ Daher müßten diese steigen.

Wie wichtig die Sender im politischen Meinungskampf sind, bekräftigt Carsten Schneider, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion: „Wer gegen Verschwörungstheorien und Fake News vorgehen will, braucht eine freie Presse und einen starken Rundfunk.“

Nur wenn alle 16 Länderparlamente zustimmen, kann der neue Rundfunkbeitrag in Kraft treten. Allerdings gibt es ein juristisches Einfallstor: Selbst wenn die Aufstockung des Beitrages in mindestens einem Landtag scheitern sollte, könnte sie trotzdem kommen. Denn laut Bundesverfassungsgericht dürfen die Länder ohne zwingende wirtschaftliche Gründe nicht von der Empfehlung der KEF abweichen. Die Folgen der Corona-Politik könnten diese wirtschaftlichen Gründe nun liefern.