© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/20 / 22. Mai 2020

Der Trotzkist der NS-Bewegung
Otto Strassers Vision des „Deutschen Sozialismus“
Werner Olles

Er kämpfte als Sozialdemokrat 1920 gegen den Kapp-Putsch, zuvor auch gegen die Bayerische Räterepublik: Otto Strasser, „ein Rechter von links und ein Linker von rechts“ (Günter Bartsch). Er war Nationalist und Sozialist, allerdings kein dogmatisch marxistischer. Strasser sympathisierte mit der jungkonservativen Bewegung, auf die er durch Arthur Moeller van den Bruck aufmerksam wurde, die ihn dann aber durch ihr großbürgerliches Verhalten abstieß, während die SPD ihm durch ihr verschwommenes Verhältnis zum Vaterland mißfiel. 

Als er schließlich auf den Nationalsozialismus stieß, glaubte er am Ziel seines politischen Wollens zu sein, mußte aber schließlich erkennen, daß Hitler unter der Bewegung etwas ganz anderes verstand als er selbst. Die „nationale Erweckung“ durfte nach Strassers Meinung nicht zu Lasten des „Deutschen Sozialismus“ gehen, den er durch Hitler verraten sah. Während sein Bruder Gregor, der im Nordwesten Deutschlands die NSDAP aufgebaut hatte – und zunächst auch wie Joseph Goebbels – als „deutsche Linke“ verstand, sich von Otto abwandte, erfolgte 1930 der Aufruf: „Die Sozialisten verlassen die NSDAP“, dem im Laufe der Jahre etwa 6.000 Mann folgten.

Otto Strasser gründete die „Kampfgemeinschaft revolutionärer Nationalsozialisten“, die später als „Schwarze Front“ zu den größten Feinden der NS-Bewegung zählte. Verfolgt von Himmlers SS-Schergen, mußte er emigrieren, zunächst in die Tschechoslowakei, später nach Kanada. In der „Nacht der langen Messer“ 1934 wurde sein Bruder Gregor erschossen, ebenso Edgar Julius Jung und die eine „zweite Revolution“ verlangende SA-Führung um Röhm.

Nach 1945 versucht sich Strasser am Aufbau ständischer, solidaristischer und nationalneutralistischer Organisationen wie der „Deutschen Sozialen Union“, mit der er jedoch scheiterte. Auch seine Forderung nach Wiedergutmachung als „Verfolgter des NS-Regimes“, unterstützt durch ein Gutachten des marxistischen Marburger Juristen Wolfgang Abendroth, wurde abgelehnt. Als Fremder im eigenen Land starb Otto Strasser am 27. August 1974 nach einem Herzanfall. Seinen Traum einer Deutschen Revolution konnte der „Trotzkist des Nationalsozialismus“ (Armin Mohler) nicht verwirklichen.

Günter Bartsch: Otto Strasser. Der linke Nationalsozialist, 2. überarb. Neuaufl. Verlag Siegfried Bublies, Schnellbach 2020, gebunden, 381 Seiten, 19,80 Euro