© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/20 / 22. Mai 2020

Isegrim in Adlershof
Neue Leibniz-Studie zum Wolfsmanagement
Jörg Fischer

Seit 20 Jahren breitet sich Isegrim in Deutschland immer mehr aus. Nun war die Hauptstadt an der Reihe: „Tatsächlich war es so, daß wir Ende Januar, Anfang Februar wirklich einen Wolf in Berlin hatten“, erklärte Derk Ehlert, Wildtierexperte bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, im Sender RBB. Laut aktueller Satellitenauswertung des Lupus-Instituts in Spreewitz (Sachsen) streifte die zwei Jahre alte Wölfin „Juli“ von Königs Wusterhausen kommend vier Tage durch den Grünauer Forst im Stadtteil Adlershof. Seit April lebe sie beim Bundeswehrübungsplatz Hintersee in Vorpommern.

Füchse und Wildschweine sind längst echte Berliner, nun dürfte ein Dauergast dazukommen: „Wölfe könnten in weiten Teilen Deutschland seßhaft werden, und es muß damit gerechnet werden, daß sie auch die weiteren Gebiete durchwandern.“ Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) und weiterer Forscher aus Berlin, Görlitz und Wien. „Seit 1992 ist der Wolf nach europäischem Recht streng geschützt und sowohl eine prioritäre Art als auch eine Art von gemeinschaftlichem Interesse“, warnen die Studienautoren. Und die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU kennt schließlich nur in Ausnahmefällen, wie etwa beim trotz Millionenaufwand nicht erlegten Problemwolf „GW717m“ (JF 18/20), ein Pardon.

Im Jahr 2000 wurde nach mehr als 150 Jahren der erste Isegrim-Nachwuchs in Mitteldeutschland nachgewiesen – und inzwischen „nehmen mit der Bestandszunahme und Ausbreitung die wolfsverursachten Schäden an Weidetieren zu“, gestehen die Wolfsexperten ein. Die meisten Übergriffe gebe es „vor allem dort, wo Wölfe sich in neuen Territorien etablieren und die Schaf- und Ziegenhalter sich noch nicht auf deren Anwesenheit eingestellt haben“ – sprich: die Bauern sind selber schuld.

Aber es naht Rettung: Alle Flächenbundesländer hätten Wolfsmanagementpläne erlassen. Die würden „Konflikte im Vorfeld minimieren oder potentielle Schäden begrenzen“. Die Bundesländer übernähmen zum Teil sogar die vollständige Finanzierung von elektrischen Zäunen oder Herdenschutzhunden. „Auch das Monitoring von Wölfen, Hinweise zum Umgang mit auffälligen Wölfen sowie Zuständigkeiten und Handlungsschemata sind wichtige Bestandteile der Managementpläne.“

Die 2016 eingerichtete Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) hat allerdings nicht das Wohl der wenigen verbliebenen Schäfer im Sinn. Und nach den jetzt vorliegenden Analysen sei davon auszugehen, daß in Deutschland „für etwa 700 bis 1.400 Territorien geeigneter Lebensraum vorhanden ist“. Das gelte unter der Annahme, daß die Territoriengröße bei etwa 200 Quadratkilometern liege. Die Ergebnisse der Studie besäßen allerdings „keine Vorhersagekraft“, und sie stellten „auch keine Zielgröße für eine deutschlandweite Bestandsentwicklung dar, sondern zeigen vielmehr das Potential für mögliche Wolfsterritorien in Deutschland auf“.

IZW-Studie „Habitatmodellierung und Abschätzung der potentiellen Anzahl von Wolfs­territorien in Deutschland“: bfn.de