© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/20 / 29. Mai 2020

Lesereinspruch

Aus Tätern Opfer gemacht

Zu: „‘Heute starb das Deutsche Reich’“ von Lothar Karschny (JF 22/20)

Die von Ihnen als Überschrift zitierte Schlagzeile des Time Magazine könnte ergänzt werden: „und das war gut so!“ Leider fehlt dieser Zusatz bei Ihnen. Liest man den Artikel weiter, scheint das kein Zufall zu sein. So heißt es‚ „Großadmiral Dönitz, Generaloberst Jodl und Rüstungsminister Speer mußten sich wie Verbrecher vor einem schußbereiten Maschinengewehr an die Wand stellen.“ Wie bitte? „Wie Verbrecher“? Das waren doch Verbrecher, vor allem Jodl, der sich im März 1941 dafür aussprach, daß bei dem geplanten Feldzug gegen die Sowjetunion die der SS unterstehenden Einsatzgruppen sowjetische Kommissare und „Bolschewistenhäuptlinge“ im Operationsgebiet ohne Verzögerung „unschädlich“ zu machen hätten. Tatsächlich verübten die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD nach dem Überfall auf die Sowjetunion Verbrechen unvorstellbaren Ausmaßes (siehe Wikipedia). Wenn das kein Verbrechen ist? Perfide klingt auch Ihre Bemerkung zur „Operation Blackout“(über den Zwang zur Entkleidung und die „entwürdigende Untersuchung“), die so aus Tätern quasi Opfer macht.

Dr. Gordon Ross, Göttingen