© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/20 / 29. Mai 2020

Frau ans Gewehr
Gleichstellung: Weibliche Bundeswehrsoldaten sind Normalität / Sie dienen seltener im Auslandseinsatz, werden aber schneller befördert
Peter Möller

Wenn über Frauen in der Bundeswehr berichtet wird, geht es nicht selten um Kurioses wie passende Uniformen für schwangere Soldatinnen. Der Alltag in den Kasernen sieht dagegen meist wesentlich nüchterner aus. Denn spätestens seitdem 2001 Frauen auch in Kampfeinheiten zugelassen wurden, sind Soldatinnen ein fester Bestandteil der Truppe.

Das läßt sich auch mit Zahlen belegen: So liegt der Anteil von Frauen unter den Bewerbern für eine militärische Laufbahn bei der Bundeswehr seit der Aussetzung der Wehrpflicht stabil bei knapp einem Viertel. Dem soll auch das seit Ende 2004 geltende „Gesetz zur Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr“ Rechnung tragen, das auch zu einer besseren Vereinbarkeit von Dienst und Familie beitragen soll.

Doch wie sieht es angesichts der unterschiedlichen körperlichen Konstitutionen von Soldaten und Soldatinnen mit der Gleichberechtigung im nicht selten gerade auch physisch fordernden militärischen Alltag aus – und wie würde es im Kriegsfall aussehen? Diesen Fragen ist die Bundestagsfraktion der AfD in einer Kleinen Anfrage nachgegangen, auf die die Bundesregierung nun geantwortet hat. Daß die mit der Anfrage thematisierte Problematik nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt sich bereits im Gesetzestext. Denn in Paragraph 3 Absatz 4 des Gleichstellungsgesetzes heißt es kurz und knapp: „Dieses Gesetz ist im Spannungs- und Verteidigungsfall nicht anwendbar“. Zur Begründung wird darauf verwiesen, daß „die Funktionsfähigkeit der Streitkräfte sichergestellt werden müsse und durch die Anwendung des Gesetzes nicht beeinträchtigt werden dürfe. „Deshalb ruht das Gesetz im Spannungs- und Verteidigungsfall, um die Auftragserfüllung durch die Streitkräfte nicht zu gefährden“.

Für die Fragesteller um den ehemaligen Kampfpiloten Gerold Otten läßt sich allerdings nicht so einfach zwischen Friedensdienst und Verteidigungsfall unterscheiden, da ihrer Ansicht nach im Frieden die Grundlagen für den Ernstfall gelegt werden müssen. Die friedensmäßige Ausbildung habe sich daher an den Anforderungen des Kampfes auszurichten: „Durch eine Überbetonung von Gesichtspunkten wie Gleichstellung, Antidiskriminierung oder Diversity werden nach Ansicht der Fragesteller folglich Probleme für die Leistungsfähigkeit der Streitkräfte geschaffen, die im Ernstfall nicht gelöst werden könnten“, heißt es in der Anfrage der AfD-Fraktion. Gleichzeitig versucht die Fraktion den Eindruck zu vermeiden, sie wolle das Rad der Geschichte zurückdrehen. „Grundsätzlich befürwortet die AfD, daß Frauen der Zugang zum Militärdienst in allen Teilstreitkräften der Bundeswehr ermöglicht wird.“ Es existiere aber ein Widerspruch zwischen erwünschter Quote und tatsächlichen Bewerberzahlen sowie Anforderungen und körperlicher Leistungsfähigkeit.

Auffallend ist, daß Frauen, die als Offiziere dienen, statistisch gesehen deutlich schneller befördert werden als ihre männlichen Kameraden. So benötigten die derzeit drei weiblichen Generale durchschnittlich 27,1 Jahre Dienstzeit, um diesen Rang zu erlangen, ihre 213 männlichen Kameraden dagegen 33 Jahre. Bei den Obersten beträgt das Verhältnis 21,8 zu 28,7 Jahre, bei den anderen Dienstgraden der Stabsoffiziere sieht es ähnlich aus. Für „die zum Teil erheblichen Zeitunterschiede bis zur Beförderung zum jeweiligen Dienstgrad zwischen den Soldatinnen und Soldaten“ liefert das für die Antwort verantwortliche Verteidigungsministerium eine nachvollziehbare, aber vermutlich nicht für alle Soldaten befriedigende Erklärung: Ein erheblicher Anteil der Soldatinnen sei als „Seiteneinsteigerinnen“ mit einem höheren Dienstgrad insbesondere in die Laufbahn des Sanitätsdienstes eingestellt worden. Dies schlage sich in der Statistik nieder.

Das Geschlecht sei kein Auswahlkriterium

Interessant ist, daß die Antworten der Bundesregierung – vermutlich eher unfreiwillig – die Grenzen der Gleichstellungspolitik deutlich machen. Das zeigt sich besonders bei der Reaktion auf die Frage der AfD-Fraktion, warum der Anteil der Frauen in Auslandseinsätzen (aktuell 8,5 Prozent) sowie bei Kampf- und Spezialtruppen (beim Heer beispielsweise 6,6 Prozent) vergleichsweise gering ist. Zwar wird betont, daß das Geschlecht in keiner Hinsicht Auswahlkriterium für bestimmte Einsatzverwendungen sei, doch gleichzeitig wird eingeräumt, daß sich die Interessen bei den Verwendungen zwischen Frauen und Männern stark unterscheiden. „Frauen streben in erster Linie Tätigkeiten im Sanitätsdienst, im Stabsdienst und im Versorgungsdienst an, während sich Männer bevorzugt für die Kampftruppe und technische Verwendungen interessieren und bewerben.“

Und so kann nach dieser Kleinen Anfrage das Fazit gezogen werden: Nicht alles, was die politische Führung für wünschenswert hält, läßt sich durch Gesetze regeln.