© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/20 / 29. Mai 2020

Wirtschaft schrumpfte im ersten Quartal um 2,2 Prozent
Riskanter Irrweg
Philipp Bagus

Eine Marktwirtschaft ist ein höchst komplexer Prozeß. Sie ist nicht wie ein Fernseher bei Bedarf abschaltbar und problemlos wieder einschaltbar. In der Corona-Krise wird die wechselseitige Abhängigkeit der Marktteilnehmer von den politischen Entscheidungsträgern sträflich unterschätzt. Man glaubt, die Einschränkung von „nicht so wichtigen“ Wirtschaftsaktivitäten strahle nicht auf die Grundversorgung zurück.

Das ist ein Irrtum. Zum einen produzieren sie Vorleistungen, zum anderen stellt die Produktion des behinderten Wirtschaftsteils die Nachfrage für den laufenden Teil dar. Das ist die Grundidee des nach dem französischen Ökonomen Jean-Baptiste Say benannten Sayschen Gesetzes: Jede Produktion stellt eine Nachfrage für andere Produkte dar.

Der Corona-erzwungene Produktionsrückgang bedeutet empfindliche Nachfrageausfälle und in einer überschuldeten Wirtschaft können sich dann Pleitespiralen entwickeln, in denen Millionen Menschen ihre Arbeit verlieren. Allein die steigende Unsicherheit wird zu radikal anderen Nachfragemustern führen. Es ist eine Illusion zu glauben, daß zeitweise Teilabschalten bliebe folgenlos, wenn der Staat nur alle Betroffenen großzügig mit Geldgeschenken überhäufe.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank im ersten Quartal in Deutschland um 2,2 Prozent. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft prognostiziert einen Einbruch um 7,1 Prozent im Jahresverlauf, die Bundesregierung hofft nur auf 6,3 Prozent Rückgang. Die Verschuldung von Bund, Ländern und Gemeinden dürfte von 60 auf 75 Prozent des BIP klettern. David Folkerts-Landau, Chefsvolkswirt der Deutschen Bank, schätzte die Corona-Kosten für Deutschland auf insgesamt 1,5 Billionen Euro. Und dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, daß die Euro-Südländer via EU unterstützt werden sollen.

Und wer soll das alles bezahlen? Linke Politiker denken an eine Vermögensabgabe oder einen neuen Lastenausgleich. Erhöhungen von diversen Steuern und ein Anstieg der Sozialabgaben sind weitere Optionen. Die beste Krisenmaßnahme wäre allerdings eine radikale Kürzung bei den Staatsausgaben, vor allem den Subventionen, gekoppelt mit einer befreienden Deregulierung. Doch das erscheint politisch wenig attraktiv.

Europaweit hat man zunächst auf eine Erhöhung der Staatsschulden gesetzt – finanziert durch das „Drucken“ neuen Geldes. Damit verschwinden die Kosten und die Verarmung freilich nicht, sie werden nur anders verteilt. Bleibt es bei den Schuldenorgien, werden die Kosten vor allem von den Geldnutzern in Form höherer Preise und einer Unterhöhlung des Geldsystems getragen. Politisch ist das der Weg des geringsten Widerstandes. Ökonomisch ein riskanter Irrweg.






Prof. Dr. Philipp Bagus lehrt VWL an der Universität Rey Juan Carlos in Madrid.