© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/20 / 29. Mai 2020

Menschenrechte im eurozentrischen Helfer-Diskurs
Zurück zur präkapitalistischen Kultur
(ob)

Die „liberal-universalistischen Menschenrechte“ sind ein Erbe der europäischen Aufklärung, das identisch ist mit Rationalität, Humanismus und Demokratie. Verfechter der „Postkolonialen Theorie“ wie die Professorinnen Maria do Mar Castro Varela (Berlin) und Nikita Dhawan (Gießen) sehen dieses Erbe hingegen eher negativ. Denn die Ideologie der „Aufklärung“ sei ständiger Begleiter des Kolonialismus und damit von Ausbeutung und Gewalt bis hin zu Genoziden gewesen. Noch heute berufe sich der globale Norden auf die Menschenrechte, um Staaten des Südens anzuprangern und in ihre Belange einzugreifen. Der Druck dieses „Zivilisierungsdiskurses“ auf  „unterentwickelte“ Völker gehe auch von internationalen Hilfsorganisationen aus, die sich damit an der neoliberalen Fortsetzung des „Kolonialismus als Rettungsmission“ beteiligten. Beide Autorinnen huldigen einem naiven Geschichtsbild, das den Süden ausschließlich als Opfer des Nordens sieht. Und selbst eine „aufgeklärte“ Kritik an „kulturellen Praktiken“ wie der Frauenunterdrückung im Islam ordnen sie dem „bigotten eurozentrischen und androzentrischen Helfer-Diskurs“ zu. Trotzdem empfehlen die beiden Wissenschaftlerinnen, an den „ambivalenten Aufklärungsidealen des weißen, männlichen, bürgerlichen Subjekts“ festzuhalten, um sie einzubauen in eine neue universale Kultur der „Verantwortung gegenüber dem ‘Anderen’“. Dafür gebe es ein Vorbild in jener „präkapitalistischen Kultur“, die geprägt sei vom „islamischen al-haq-Konzept“, das Raum für „Kollektivität“ schaffe, die „den Anderen“ nicht abwertend bevormunde (Aus Politik und Zeitgeschichte, 20/2020). 


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