© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/20 / 29. Mai 2020

Äthiopien steht vor ethnisch-religiösen Eruptionen
Museum der Völker
(dg)

Völker und Nationalitäten werden in der Verfassung der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien großgeschrieben. Versteht sich der ostafrikanische Staat, mit 110 Millionen Einwohnern der zweitgrößte des Kontinents, doch als Föderation ethnischer Gruppen. Das Recht auf Selbstbestimmung ist daher ein grundlegendes Prinzip des föderalen Systems. Nur die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe bedingt die äthiopische Staatsbürgerschaft. Vom neoliberalen Menschenbild des Globalismus, das die Überwindung ethnischer Identitäten propagiert, ist man weit entfernt in einem Land, das auf dem reichen historischen Erbe mächtiger Königreiche fußt. Unter denen sich die Dynastie des 1974 gestürzten Kaisers Haile Selassie auf König Salomon zurückführt, wie sein Großneffe, der Schriftsteller Prinz Asfa-Wossen Asserate im Äthiopien-Themenheft der Bundeszentrale für politische Bildung betont (Aus Politik und Zeitgeschichte, 18/19–2020). Für dieses „Museum der Völker“ mit etwa 80 ethnischen Gruppen liefert der Politikwissenschaftler Zemelak Ayele (Universität Addis Abeba) jedoch eine tendenziell pessimistische Prognose. Schon jetzt glichen die Vorteile der kulturellen Vielfalt des Föderalismus nicht die Gefahr eskalierender ethnischer Spannungen sowie sich anbahnender Konflikte mit der muslimischen Mehrheit im Süden des Landes aus. 


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