© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/20 / 29. Mai 2020

Frisch gepresst

Rasse. Seit dem 17. Jahrhundert, als Folge des westeuropäischen Zugriffs auf den globalen Süden, nahmen naturwissenschaftlich-anthropologische Bemühungen zu, die Menschheit in verschiedene „Rassen“ einzuteilen. Aufgrund der Nachfrage nach einer Rechtfertigungsideologie für den europäisch-amerikanischen Kolonialismus bekam das Rassenparadigma im 19. Jahrhundert dann eine stark weltanschaulich-politische Bedeutung. Sozialdarwinistisch und antijüdisch aufgeladen, entwickelte sich daraus schließlich die Vorstellung vom welthistorischen Vorrang der „arischen Rasse“. Herrschaftspraktisch umgesetzt, mündete die Rassentheorie in „Ausmerze“ und „Endlösung“. Daher sei „die Geschichte des Begriffs ‘Rasse’ durch Adolf Hitler an ihr Ende gekommen“ (Werner Conze). Ein Fazit, das dem Statement on Race der Unesco von 1952 entspricht, das die bis heute als politisch korrekt geltende Ersetzung von Rasse durch „ethnische Gruppe“ bewirkte. „Rasse gibt es nicht“, so lautet seit den 1970ern auch die Botschaft tonangebender US-Genetiker. Daß es sich jedoch mit dem Rassebegriff keineswegs so simpel verhält, daß die im öffentlichen Diskurs dominierenden „Rassenleugner“ ihrerseits bis in die Haarspitzen ideologisch motiviert sind und liberalen wie sozialistischen Gleichheitsutopien huldigen, ist dem kompakten Überblick Andreas Vonderachs zu entnehmen, der die über hundertjährige Zivilreligion des „Antirassismus“ hell ausleuchtet. Ein ideologiekritisches Meisterwerk in bester Aufklärungstradition! (wm)

Andreas Vonderach: Die Dekonstruktion der Rasse. Sozialwissenschaften gegen die Biologie. Ares Verlag, Graz 2020, broschiert, 109 Seiten, 14 Euro





Studentenleben. Als Sohn reicher rumänischer Adeliger wird Iacob Negruzzi 1852 nach Berlin geschickt, wo er Abitur macht und ein Jura-Studium aufnimmt. Der spätere Hochschullehrer und Schriftsteller weist laut seiner Tagebucheinträge jedoch keinen überbordenden wissenschaftlichen Ehrgeiz im Studium auf. Vielmehr fordern ihn seine sexuelle Zügellosigkeit, die ihm allerlei Geschlechtskrankheiten einbringt, das Glückspiel, das selbst seinen üppigen monatlichen Wechsel allzu sehr strapaziert, und das studentische Fechten. Negruzzis anregende Schilderungen sind zugleich ein aussagekräftiges Sittengemälde des großbürgerlichen Berlins in der Vorgründerzeit. (bä)

Kurt U. Bertrams (Hrsg.): Tripper, Jeu, Mensuren. Das Tagebuch des Corpsstudenten Iacob Negruzzi. WJK-Verlag, Hilden 2020, gebunden, 352 Seiten, 27,90 Euro