© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/20 / 29. Mai 2020

Al Gores Solarzellen und der rockende Toaster
Der Michael-Moore-Film „Planet of the Humans“ zeigt die Kehrseiten der grünen Ökoenergien
Marc Schmidt

Es gibt Dokumentarfilme, die bewegen. 2006 veröffentlichte Al Gore „Eine unbequeme Wahrheit“ (An Inconvenient Truth) und faßte dort die möglichen Folgen einer globalen Erwärmung eindringlich zusammen. Trotz berechtigter Kritik hatte der Streifen einen starken Effekt auf die Politik bei der Fixierung der Klimapolitik auf die CO2-Emissionen. Regisseur Davis Guggenheim gewann ein Jahr später den Oscar für den besten Dokumentarfilm, und der Ex-US-Vizepräsident als angeblich „weltweit führender Umweltpolitiker“ erhielt den Friedensnobelpreis.

Michael Moore hat nur einen Ehrendoktor von der Michigan State University in der Kleinstadt East Lansing und einige amerikanische und europäische Filmpreise. Dafür ist der von seinen Kritikern als „Linkspopulist“ geschmähte 66jährige in der Dokumentarfilmbranche weit erfolgreicher, als es Gore je in seiner Politikerkarriere war: Sein Zwei-Stunden-Epos über George W. Bush und dessen Verbindungen zu Saudi-Arabien verhinderten 2004 zwar nicht die Wiederwahl des US-Präsidenten, aber „Fahrenheit 9/11“ wurde mit über 220 Millionen Dollar Einnahmen der erfolgreichste Dokumentarfilm aller Zeiten – und das bei einem Produktionsbudget von nur sechs Millionen Dollar.

„Michael Moore in Trumpland“ prognostizierte 2016 die Wahl des jetzigen US-Präsidenten – zum Entsetzen des US-Demokraten-Establishments. Und in „Fahrenheit 11/9“ legte Moore 2018 nach und erklärte den Trump-Sieg als logische Folge der Clinton- und Oba-ma-Politik. Moores aktuelle Produktion „Planet of the Humans“ zerschneidet auch das Tischtuch zu den Green-Deal-Propagandisten: Diese werden in dem 100-Minuten-Film bissig vorgeführt und der Scheinheiligkeit bezichtigt.

Moore entlarvt dabei Al Gore als geschäftstüchtigen Lobbyisten mit zweifelhafter Moral. Der Ich-Erzähler des Films ist aber nicht Michael Moore selbst, sondern sein Regisseur Jeff Gibbs, welcher auch alle Interviews geführt hat. Das hatte bei der Produktion zweifellos den Vorteil, daß ihm alle Gesprächspartner nicht sofort mit dem tiefen Mißtrauen begegnet sind, mit dem man auf Interviewanfragen von Moore in der Regel reagieren sollte. Der Film selbst trägt mit seinen aggressiven Texten und den teilweise verzerrten Darstellungen allerdings eindeutig die Handschrift des Bernie-Sanders-Unterstützers Michael Moore.

Hilfe bei der Bekehrung grünmoraliner Nachbarn?

In der ersten Hälfte des Films greifen Gibbs und Moore die in Amerika führenden Formen von Ökoenergie – Solar, Windkraft und Biomasse bzw. Biodiesel – scharf an. Sie betonen Probleme wie den Flächenverbrauch und Waldrodungen für die angeblich „erneuerbaren Energien“ oder den Einsatz seltener Erden, welche berechtigte Zweifel an der behaupteten Nachhaltigkeit wecken. Bei einem Umweltrockkonzert reicht der Strom aus den Solarzellen nur für einen Toaster, wie Gibbs genüßlich vorführt.

Allerdings sind Aufnahmen, Texte und Schnitte oft so manipulativ, daß dagegen Georg Restle oder Jan Böhmermann fast sachlich wirken. Aufnahmen von Solaranlagen mit einem Wirkungsgrad von acht Prozent aus den Jahren 1997 bis 2000 werden unkommentiert zur Kritik am Einsatz der Anlagen heute genutzt. Die Probleme der Elektromobilität von Tesla & Co. bezüglich der Autoherstellung wie der „Betankung“ mit Ökostrom werden anhand von Aufnahmen und Zahlen aus dem Jahr 2010 dargestellt. Die Liste dieser Verzerrungen ist lang, aber Gibbs und Moore wollen verreißen und nicht informieren.

Damit machen sich Gibbs und Moore angreifbar, aber ihr Narrativ läßt sich ohne viel Phantasie nach Deutschland übertragen. Der Film belegt detailliert die wirtschaftlichen Interessen bei Biomasse und Ökosprit. Die Beeinflussung der politischen Entscheidungen erfolgt nicht etwa durch traditionelles Lobbying, sondern durch die via Spenden und Personalauswahl erfolgte Übernahme der einflußreichsten und mitgliederstärksten US-Umweltgruppen.

Diese setzten in den vergangenen zehn Jahren beispielsweise den massiven Ausbau der Holzverbrennung und die Biogasverwendung als angeblich ökologische Maßnahmen durch. Gibbs und Moore weisen nicht nur die negativen Umweltfolgen nach, sondern auch die Finanzierung dieser Interessendurchsetzung durch Milliardäre um die Republikaner-Förderer und Industrieinvestoren Charles und David Koch nach, eigentlich Feindbilder linksliberaler Amerikaner und Umweltaktivisten.

Aus der Aufdeckung der Übernahme der Ökobewegung durch das Großkapital ziehen die Autoren allerdings keine realistischen Rückschlüsse. Weder setzen sie auf technischen Fortschritt noch auf Alternativen zu den von ihnen umfangreich angegriffenen Formen der Energieerzeugung, wie etwa der in Amerika in weiten Teilen der Bevölkerung populären Kernenergie. Wie die deutschen Grünen vor 40 Jahren fordern sie, der globale Energieverbrauch müsse drastisch sinken – was sich aber nur über eine Reduktion der Weltbevölkerung erreichen ließe.

Angesichts der Aggressivität des Films muß man an dieser Stelle fast froh sein, daß die Produzenten hier keine konkreten Lösungsvorschläge machen. Sie begnügen sich mit der bekannten Forderung, die Gesellschaft und die Wirtschaftsordnung müßten von Wachstum auf Schrumpfen umstellen. Das Fehlen konkreter Vorschläge wird durch das negative Ende des Films stark herausgestellt. In einem langen Monolog wird Veränderung nach der erfolgten Aufklärung gefordert, ansonsten drohe eine Apokalypse. Diese Drohung wird durch eine dreiminütige Sequenz über das Sterben eines Orang-Utans nach Brandrodung seines Waldes untermauert, danach folgt kommentarlos der Abspann.

Insgesamt betrachtet ist „Planet of the Humans“ vor allem sehenswert für Zuschauer, die sich ärgern wollen. Der Film taugt auch zur Bekehrung extrem grünmoraliner Kollegen oder Nachbarn, die einem mit Gerede über ihren Tesla, ihren Ökostromtarif, ihre nachhaltige Lebensführung und jeder Menge Belehrungen die Zeit stehlen.

Der Dokumentarfilm „Planet of the Humans“ von Michael Moore unter der Regie von Jeff Gibbs ist seit April kostenlos zu sehen:

 youtube.com

 michaelmoore.com